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Aus dem GERICHTSSAAL: Datum mit Mützengummi ausradiert

Aus dem GERICHTSSAAL Benjamin C. (40) trägt das Corpus delicti ungeniert auf dem Kopf.

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Aus dem GERICHTSSAAL Benjamin C. (40) trägt das Corpus delicti ungeniert auf dem Kopf. Der Amerikaner schwarzer Hautfarbe muss sich wegen Urkundenfälschung vor dem Amtsgericht verantworten. Er soll am 13. September 2003 in der S-Bahn zwischen Babelsberg und Potsdam dem Kontrolleur einen manipulierten Fahrschein präsentiert haben. Der Empfänger von Arbeitslosenhilfe redet gar nicht lange um den heißen Brei herum. „Ich wollte Geld sparen. Da habe ich einen alten Fahrschein benutzt.“ Die Vorsitzende möchte es allerdings genauer wissen. „Laut Anklage soll das Entwerterfeld des Einzelfahrscheins Radierungen vorgewiesen haben. Was hat es damit auf sich?“ Benjamin C. – seit 1997 in Deutschland – zieht mit einem Ruck seine weiße Pudelmütze vom Kopf. Mit dieser habe er auf dem bereits entwerteten Ticket herumgerubbelt, es danach ein zweites Mal abgestempelt. Die übrigen Prozessbeteiligten können sich eines kleinen Grinsens nicht erwehren. Allerdings – so der Schwarzfahrer – habe sich die Angelegenheit in finanzieller Hinsicht wirklich nicht gelohnt. „Ich musste 40 Euro Strafe an die BVG entrichten.“ „Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht bzw. eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert“, betont die Staatsanwältin. In besonders schweren Fällen, beispielsweise wenn die Sicherheit des Rechtsverkehrs durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden erheblich gefährdet ist, sieht der Gesetzgeber sogar Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren vor. Benjamin C. radierte mit seinem Mützengummi lediglich an einem Fahrschein herum. Dafür reicht eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je sieben Euro, befindet die Vertreterin der Anklage. Das Gericht urteilt ebenso. Der Amerikaner ist konsterniert. „Wieso musste ich dann schon Geld an die BVG zahlen?“, grummelt er. Gabriele Hohenstein

Gabriele Hohenstein

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