Aus dem GERICHTSSAAL: „Daumenschrauben“ für jungen Whisky-Dieb
Staatsanwalt: Jugendstrafrecht zeigte offenbar bisher keine Wirkung
Stand:
Die Tat ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Am 4. Oktober 2007 sollte Leon L. (18, Name geändert) vor dem Jugendgericht erscheinen, weil er wieder lange Finger gemacht hatte. Dort wartete man vergebens auf ihn. Am selben Tag ging der Potsdamer erneut auf Diebestour, steckte im Babelsberger Pennymarkt fünf Flaschen Whisky im Wert von 65 Euro in seinen großen Rucksack. Dem gestrigen beschleunigten Verfahren stellte sich Leon L. allerdings, insgeheim wohl hoffend, noch einmal mit einem blauen Auge davonzukommen.
Der Staatsanwalt hingegen sah keinen Grund zur Milde. „Es ist an der Zeit, die Daumenschrauben ein bisschen anzuziehen. Die Maßnahmen des Jugendstrafrechts zeigten bei Ihnen keine Wirkung“, stellte er klar, beantragte eine Freiheitsstrafe von vier Monaten. „Die kann natürlich zur Bewährung ausgesetzt werden. Ich denke, zwei Jahre sind ausreichend.“ Das Urteil des Gerichts unter Vorsitz von Rita Franke erging ebenso. „Die Tat war nicht jugendtypisch. Der Angeklagte ist höchstens reifeverzögert, was seine Lust zum Arbeiten betrifft“, führte sie aus. Um diese ein bisschen anzukurbeln, habe Leon L. binnen drei Monaten 50 Sozialstunden zu leisten. Und – anders als bei einer Verurteilung nach Jugendstrafrecht – muss er auch die Prozesskosten tragen.
Die kriminelle Karriere des Neunklassen-Abgängers begann 2004 mit besonders schwerem Diebstahl. Das Verfahren wurde eingestellt. Eine Verhandlung wegen Hehlerei endete lediglich mit einer Ermahnung des Jugendgerichts. Im Mai vorigen Jahres erhielt Leon L. wegen Diebstahls in zwei Fällen eine Verwarnung sowie die Auflage, 50 Stunden unentgeltlich zu arbeiten. Geschafft hat er davon gerade mal drei, obwohl bei Nichterfüllung zwei Wochen Jugendarrest drohen. „Ich hatte keine Zeit. Schließlich muss ich mein Leben in den Griff kriegen“, begründete der Angeklagte sein Nichtstun. Eine im Vorjahr gegen ihn verhängte Geldstrafe von 400 Euro hat er auch noch nicht beglichen. „Ich lebe mit Mutti zusammen von Hartz IV. Sie gibt mir jeden Monat 150 Euro. Davon werde ich die Strafe in Raten bezahlen“, versicherte der junge Mann. Selbst Geld zu verdienen scheint nicht sein Ding zu sein. Eine Lehre zum Zweiradmechaniker brach Leon L. wegen Differenzen mit dem Chef ab. Das berufsvorbereitende Jahr beendete er vorzeitig, da er sich unterfordert fühlte. Zum Zeitungsaustragen hatte er bald keine Lust mehr. Auch der Probejob in einer Reinigungsfirma war nicht das Richtige. „Wofür brauchten Sie eigentlich fünf Flaschen Whisky auf einmal?“, kam die Vorsitzende auf den Anklagevorwurf zurück. Plausibel erklären konnte Leon L. das nicht. Hoga
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