Landeshauptstadt: DDR-Schätze im Kulturhaus
Peter Schulz verkauft seit 20 Jahren Gebrauchtes. Nun wird in Bornim das Jubiläum des Sozialkaufhauses gefeiert
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Es ist ein langer Weg in die Max-Eyth-Allee. Der Bus braucht von der Innenstadt fast eine halbe Stunde in diese Ecke der Landeshauptstadt, nach Bornim. Über idyllische Alleen und vorbei an Feldern führt der Weg hierher. Nicht jeder Potsdamer kennt diesen Teil der Stadt. Es ist dörflich, man ist auf dem Land. Ziel der Reise ist das Sozialkaufhaus des Vereins Exvoto. Ein Kaufhaus mit gebrauchten Waren, die zu sozial gerechten Preisen verkauft werden.
Das Angebot ist groß: Sofas, Regale, Küchengeräte, Fernseher, Bilder und sogar Fitnessgeräte gibt es. Auch Geschirr und Gläser sind auf den 650 Quadratmetern reichlich vorhanden. „Alte DDR-Schätze“ wie eine junge Kundin meint, und „dreimal billiger“ als in Berlin. Die Kleiderkammern, nach Geschlecht und Alter getrennt, sind ebenfalls ordentlich gefüllt. All diese Waren seien Spenden von Bürgern, quer durch alle Bevölkerungsschichten“, so der fast 60-jährige Geschäftsführer Peter Schulz. Dennoch nehme man nicht alles, was angeboten wird. Die Waren müssten in angemessenem Zustand sein und sollten zum Klientel passen.
Das Klientel, das sind vor allem Geringverdiener: Mini-Jobber, Hartz-IV-Empfänger, aber auch Schüler und Rentner. Einige sind Stammkunden und kommen schon seit vielen Jahren. Die acht festen Mitarbeiter des Sozialkaufhauses hatten früher selbst keine Arbeit. Sie kommen alle aus verschiedenen Branchen: Buchhaltung, Baugewerbe, Einzelhandel oder aus der „Ökonomie“ so wie Schulz. Regelmäßig arbeiten zudem 1-Euro-Jobber im Sozialkaufhaus.
Nach der Idee der damaligen Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Potsdam, Helga Schulte, entstand dieses vor 20 Jahren. Peter Schulz war zu dieser Zeit arbeitslos, fand die Idee gut und wurde einer der Mitgründer. Seit nunmehr 20 Jahren ist er dabei.
Das Sozialkaufhaus des Exvoto e.V. befindet sich im alten Kulturhaus des ehemaligen Instituts für Landtechnik, so der DDR-Name für das heutige Institut für Agrarwirtschaft in Bornim. Das Haus wurde Anfang der Sechziger Jahre auf der architektonischen Grundlage zweier Kirchen auf Usedom erbaut und steht heute unter Denkmalschutz. Zu DDR-Zeiten fanden hier Jugendweihen und andere Festivitäten statt. Vor fünf Jahren ist das Sozialkaufhaus von der Teltower Vorstadt hierher umgezogen. Dieser Standort sei „endgültig“, sagt Schulz. Man habe das ehemalige Kulturhaus vom Land gekauft.
Am 1. September feiert das Sozialkaufhaus 20-Jähriges Jubiläum. Eigentlich wollte man eine kleine Feier mit „Tag der offenen Tür“ veranstalten, aber diese fiel ins Wasser. Vor einigen Tagen erlitt das Dach des Kulturhauses einen weiteren Sturmschaden. Aufgrund schwerer Regengüsse stand auch der Keller dieses Jahr bereits mehrfach unter Wasser. Das alles müsse finanziert werden, beklagt Geschäftsführer Schulz.
Deshalb halte man auch einige wertvolle Raritäten im Sozialkaufhaus. Diese wurden für den Erhalt des Vereines gespendet und haben einen Preis, den sich ein Hartz-IV-Empfänger nicht leisten kann. Diese Waren sind für größere Investitionen wie die aktuell anstehenden Reparaturen gedacht. Grundsätzlich sei jedoch alles zu haben, betont Schulz. Als gemeinnütziger Verein sei man nicht auf Gewinn bedacht. Flohmarkt-Vergleiche hört er allerdings nicht gern. Der Verkauf der Waren diene lediglich zur Finanzierung des Vereins.
Sieht man von den Raritäten ab, werden die Preise dem sozialen Anspruch gerecht: Eine Kaffeemaschine kostet vier Euro, ein Trockner 40 Euro, einen Herrenpullover zwei Euro und selbst für ein Doppelbett zahlt man nur 80 Euro. Die Preisliste wurde vor den Hartz IV-Reformen auf der Grundlage der Sozialhilfe gemeinsam mit der Stadt erarbeitet. Deshalb könne man auch mit dem Hartz IV-Satz auskommen, erklärt Schulz. Eine Rentnerin, die mit ihrem Schwiegersohn einkauft, sagt: „Man kann sich hier nicht beschweren.“ Sie kaufe hier regelmäßig für ihre rheumakranke Tochter und sich selbst ein. Das Angebot sei sehr gut und die Preise niedrig, meint auch ein etwa 40-jähriges Paar.
Das Paar kam mit dem Bus hierher hinaus, in die Max-Eyth-Allee. Sie sind froh über ihre Monatskarten. Eine normale Einzelfahrt kostet 1,80 Euro. Rechne man das ein, sei es hier natürlich nicht mehr so sozial, bestätigt das Paar. Ein Dilemma für den Exvoto e.V.: Im Zentrum sind die Mietpreise zu hoch für solch ein Geschäftsmodell, in Bornim ist das Sozialkaufhaus dafür weit abgelegen. Hier sei jedoch die eine Ecke, wo Potsdam noch wachsen kann, hofft Schulz.
Simon Grimm
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