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Ausgezeichnet. Isabel Bäurle.

© Fritze/UP

Homepage: Dem Gedächtnis der Pflanzen auf der Spur

Die Biologin Isabel Bäurle startet ein neues Forschungsvorhaben an der Universität Potsdam

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Ordentlich aufgereiht blüht die Ackerschmalwand im Gewächshaus der Universität Potsdam. Eine Befeuchtungsanlage nebelt sie regelmäßig ein, beschienen wird sie von natürlichem und wachstumsförderndem Licht aus künstlichen Strahlern. Recht unscheinbar steht die schlanke Pflanze aus der Familie der Kreuzblütler ansonsten in der Natur zwischen Äckern und auf Wiesen. Dort allerdings wächst sie recht schnell und reagiert postwendend auf Umwelteinflüsse. Deshalb untersucht die Biologin Isabel Bäurle im Institut für Biologie, wie sich Hitze, Kälte und unregelmäßige Wetterveränderungen auf die Ackerschmalwand auswirken.

„Mich interessiert, was mit der Pflanze passiert, wenn sich unsere Umwelt verändert“, sagt Bäurle. Im vergangenen Jahr wurde sie mit dem Kovalevskaja Preis ausgezeichnet, der mit 1,65 Millionen Euro Preisgeld dotiert ist. Deshalb kann die Biologin mit ihrem vierköpfigen Team in den kommenden fünf Jahren gründlich zu einem Problem forschen, das künftig vermutlich immer dringender werden wird. Denn wenn sich die Prognosen zum Klimawandel bewahrheiten, werden in den kommenden Jahrzehnten auf der ganzen Welt verstärkte Trockenperioden und gesteigerte Regenfälle auftreten. Dadurch könnten Ernten karger ausfallen, wenn Nutzpflanzen wie Gerste oder Raps sich nicht schnell genug an die veränderten Umweltbedingungen anpassen. Deshalb findet Bäurle es wichtig zu erforschen, durch welche Mechanismen molekulare Veränderungen von Pflanzen in Gang gesetzt werden und wo das „Gedächtnis“ der Pflanzen für Umweltveränderungen liegt.

Zwar verfügen Pflanzen über kein Nervensystem, dennoch verändert sich die Anzahl und die Art der Proteine der Pflanzen unter veränderten Bedingungen. Sie speichern Informationen über ihre Umwelt, auch wenn ihre DNA gleich bleibt. Ein Forscherteam unter der Leitung von Myriam Calonje (Uni Heidelberg) hat 2010 herausgefunden, dass sich beim sogenannten Zellgedächtnis der Ackerschmalwand sogar strukturelle Ähnlichkeiten zwischen dem pflanzlichen Protein und menschlichen Proteinen finden.

Die Ackerschmalwand eignet sich dabei ideal für Forschungsvorhaben. Innerhalb von nur zwei Monaten reift der Samen bis zur weißen, unspektakulären Blüte. Auch genetisch ist die Feld-, Wald- und Wiesenpflanze nicht sonderlich kompliziert, bereits im Jahr 2000 hatten Forscher das kleine Genom, das aus nur 125 Metabasen besteht, sequenziert. Das macht sie zur Modellpflanze, also zu einer Pflanze, über deren genetische Grundlagen Wissenschaftler sich nun schon seit den 40 Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Kopf zerbrechen. Von ihr existieren zahlreiche Variationen, entsprechend den Ausgangsüberlegungen der Forschungsvorhaben.

„Mit welchen raffinierten Mechanismen Pflanzen auf Umwelteinflüsse reagieren, wussten allerdings bereits die Bauern vergangener Jahrhunderte und haben dieses Wissen für ihre Aussaat benutzt“, stellt Bäurle fest. Die Wintergerste beispielsweise keime im Herbst, sie bilde also ihre Triebe, wenn die Sommerhitze vorbei ist. „Dadurch reserviert sie sich praktisch einen Platz für das Frühjahr und kann dann voll loslegen“, beschreibt die Biologin den Wachstumsvorgang. Bäurle geht davon aus, dass sich Erkenntnisse über die Ackerschmalwand in absehbarer Zukunft auch auf Nutzpflanzen übertragen lassen. Auf diese Weise könnten dann Ernteerträge gesteigert werden, was nicht zuletzt den Ernährungsproblemen der Menschheit zugute kommen würde.

Die 1974 in München geborene Isabel Bäurle studierte zunächst Deutsch und Französisch, entschied sich dann aber doch für Biologie und Chemie und promovierte 2004 an der Universität Freiburg. In Norwich in England hat sie in den vergangenen Jahren das Department of Disease and Stress Biology geleitet.

Im vergangenen Frühjahr kam sie nach Potsdam, nicht zuletzt, weil sie hier in der Pflanzengenomforschung und Systembiologie ideale Forschungsbedingungen vorfand und mit der Auszeichnung auch die finanzielle Grundlage für ihr Forschungsvorhaben hatte. Nachdem Bäurle sich von den Sprachen zur Biologie gewandt hatte, stand für sie fest, dass sie sich auf Pflanzenbiologie spezialisieren wollte: „Pflanzen sind ortsfest. Die laufen nicht weg und reagieren trotzdem auf Umwelteinflüsse.“ Wie das genau geschieht, wird sie in den kommenden fünf Jahren möglicherweise herausfinden. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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