Homepage: Demokratie und Globalisierung Frühjahrsgespräche zum globalen Regieren
Vernetzungen in Handel, Finanzen und Kommunikation, aber auch Probleme wie der Klimawandel oder sich ausbreitende Seuchen, vieles spielt sich heute auf globaler Ebene ab und bedarf deshalb globaler Regelungen. Doch wer schafft diese Regelungen?
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Vernetzungen in Handel, Finanzen und Kommunikation, aber auch Probleme wie der Klimawandel oder sich ausbreitende Seuchen, vieles spielt sich heute auf globaler Ebene ab und bedarf deshalb globaler Regelungen. Doch wer schafft diese Regelungen? Wer verfolgt welche Interessen und wer verfügt über welches Machtpotenzial? Darüber haben am vergangenen Wochenende Wissenschaftler, Politiker und Vertreter globaler Organisationen auf den Potsdamer Frühjahrsgesprächen der Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF) im Hotel Voltaire diskutiert.
Ziel der Konferenz „Globales Regieren ohne demokratisches Fundament?“ war die Analyse existierender Ansätze zur Stärkung der Legitimationsbasis von Politikprozessen. Daniele Archibugi, Politikprofessor in London und Direktor des Nationalen Forschungsrates in Rom, kritisierte in Potsdam die fehlende Legitimierung der Nichtstaatlichen Organisationen (engl. Non-Governmental Organisation, kurz NGO) wie etwa Amnesty International oder Greenpeace. So könnte doch ein kluger Politiker die Kritiker bei einem G8-Treffen einmal fragen: „Ich bin immerhin gewählt. Wer aber hat euch gewählt?“
Auch Roland Axtmann, Leiter des Fachbereichs Politik und Internationale Beziehungen an der Universität Swansea, bemängelte, dass viele NGOs mehr damit beschäftigt seien, den Kapitalismus zu bekämpfen, als die Demokratie voranzutreiben. Kapitalismuskritik mache eine Organisation aber noch nicht demokratisch. Auch kritisierte Karin Scheele, Mitglied des Europäischen Parlaments, die oft pauschale und der eigenen Öffentlichkeitsarbeit geschuldete Kritik der NGOs an Entscheidungen des Parlaments. Es fände eine Skandalisierung statt, stets würden Worte wie Skandal, Kniefall vor der Wirtschaft oder Tragödie benutzt, selbst wenn die Entscheidung des Parlaments in die selbe Richtung ginge, wenn vielleicht auch nicht so weitgehend, wie von den NGOs gefordert. Das habe letztlich eine Schwächung der Demokratie zur Folge.
Auch Michael Hammer, Geschäftsführer der Organisation One World Trust, kritisierte die Arbeit der NGOs, etwa bei der Vermittlung der eigenen Methoden oder der Entscheidungsfindung, aber auch bei Beschwerdemöglichkeiten. Susan George, bis vor kurzem noch Vizepräsidentin von Attac France, hätte als Vertreterin einer bedeutenden NGO dieser Kritik entgegentreten können. Sie entschied sich für den Gegenschlag. G7 und G8 präsentierten sich als Weltregierung, seien aber auf dieser Ebene illegitim. Beamte auf nationaler Ebene hätten zu wenig Rechenschaftspflicht. Das gelte noch mehr auf europäischer und am meisten auf globaler Ebene. Dass man heute schon in der Lage sei, eine Weltregierung aufzustellen, glaube sie nicht. Der Kritik an den NGOs wich sie aus.
So blieb das von Stefan Marschall, einem Sozialwissenschaftler aus Düsseldorf, vorgetragene Argument, NGOs seien zwar kaum basisdemokratisch, müssten dies aber als Vereine auch nicht sein, so ziemlich der einzige Gegenpol zur doch recht massiven Kritik. Ein eher schwacher überdies, zumal Marschall ganz offensichtlich den Parlamentarismus favorisierte. Immerhin zeigt schon die Zahl der kritischen Stellungnahmen, welche weltpolitische Bedeutung NGOs inzwischen erlangt haben.
Was den Parlamentarismus auf globaler Ebene betrifft, so mache sich vor allem ein Identifikationsproblem bemerkbar. Internationale Organisationen hätten direkten Einfluss auf uns und wir nähmen sie gar nicht zur Kenntnis, stellte Archibugi fest. Wer fühle sich schon als Nato-Bürger? Organisationen wie die Weltbank würden sich überdies weitgehend der Kontrolle durch den Bürger entziehen. Nicht nur deshalb sei es wichtig, westliche Ideen nicht einfach ins Globale zu übertragen und Demokratie-Entwürfe auf eine soziologische Grundlage zu stellen. Die Art, wie der Westen seine Demokratie in der Welt zu verbreiten versuche, mahnte Archibugi, schade der globalen Demokratie. Sebastian Ehrlich
Sebastian Ehrlich
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