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HEYES Woche: Demokratie will gelernt sein

Das ausgerechnet das Landesparlament ein falsches Hochschulgesetz verabschiedet hatte, gehört in die Sammlung der Merkwürdigkeiten im zu Ende gehenden Jahr. Die Abgeordneten hatten über die falsche Fassung abgestimmt.

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Das ausgerechnet das Landesparlament ein falsches Hochschulgesetz verabschiedet hatte, gehört in die Sammlung der Merkwürdigkeiten im zu Ende gehenden Jahr. Die Abgeordneten hatten über die falsche Fassung abgestimmt. Offenbar hatte kein Mitglied aus dem Fachausschuss noch einmal einen Blick auf den Gesetzestext riskiert und so war eine zweite Abstimmung nötig. Dass nach dieser Blamage die Bereitschaft nicht besonders groß war, das Gesetz noch einmal anzuhalten und auf kritische Einwände aus der Studentenschaft und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft einzugehen, überrascht daher nicht. Aber die am Gesetzestext laut gewordene Kritik sollte nicht ohne Beachtung bleiben. Die Studierenden befürchten nämlich auch, dass mit der Novelle Demokratieabbau an den Hochschulen des Landes verbunden sei. Das ist ein sehr ernst zu nehmender Vorwurf, der – so er sich in der Praxis bewahrheitet – einer schnellen Korrektur bedürfte. Das Parlament am Brauhausberg kann das jedenfalls nicht kalt lassen. Dies um so weniger, da wir eine wachsende Wahl- und Demokratiemüdigkeit beklagen, die vor allem in den ostdeutschen Ländern grassiert. Damit aber haben solche Parteien, die mit rassistischen und fremdenfeindlichen Parolen die Grundlagen unserer demokratischen Ordnung zerstören wollen, erst die Chance, die kleiner werdende Hürde von fünf Prozent der Wählerstimmen zu überspringen. Je mehr Menschen sich also im Jahr 2009 an der Wahl zum neuen Landtag beteiligen, je größer die Hoffnung, dies zu verhindern. Es ist höchste Zeit, der sich in Umfragen abbildenden Demokratie- und Politikverdrossenheit entgegenzutreten. Nach dem Messerattentat in Passau scheint ja selbst in Bayern die Bereitschaft zu schwinden, die Gefahren durch rechte Extremisten weiter zu bagatellisieren. Seit der Wende zählen die Opferverbände 135 Tote, Opfer rechter Gewalttäter. Es ist gut, dass die Landesregierung in Potsdam mit dem „Toleranten Brandenburg“ Zeichen setzte. So wichtig polizeiliche Gefahrenabwehr bleibt, so wichtig wäre es aber, schon früh mehr Demokratie zu wagen. Universitäten haben ein Studierenden-Parlament. Warum nicht auch die Einrichtung von Schülerparlamenten. Es wäre gut, Schulen zu ermutigen, Jugendlichen Mitwirkungsrechte einzuräumen. Den Schulalltag demokratisch mitbestimmen zu können wäre eine Erfahrung, die gegen demokratiefeindliche Parolen immunisieren kann. Auch Demokratie will gelernt sein.

Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg.

Uwe-Karsten Heye

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