Landeshauptstadt: „Den Banditen muss man sich mal ansehen“
Zum Tag der Archive am morgigen Sonnabend öffnen Potsdamer Einrichtungen ihre Pforten und Magazine
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Zum Tag der Archive am morgigen Sonnabend öffnen Potsdamer Einrichtungen ihre Pforten und Magazine Potsdam, 21. Januar 1949. Sitzung der SED-Bezirksleitung. Wichtigster Protokollpunkt: Was wird aus dem kriegsgeschädigten Potsdamer Stadtschloss? Der Chef der Schlösserstiftung Willy Kurth redet und sagt: „Die Hülle ist nicht mehr für uns verwertbar.“ Fast alle Anwesenden sprechen sich – verklausuliert – für den Abriss aus. Einzig Architekt Wedepohl kritisiert den sich offenbarenden Mangel an „Ehrfurcht vor den kulturellen Werten“. Die heute Lebenden wüsste von dieser Sitzung nichts mehr, wäre das Protokoll der denkwürdigen Veranstaltung nicht archiviert worden. Am morgigen Sonnabend, zum Tag der Archive, wird es im Brandenburgischen Landeshauptarchiv an seinem neuen Standort in Bornim, Zum Windmühlenberg, zu sehen sein. Und darüber hinaus zahlreiche andere historische Dokumente. Ältestes zu besichtigendes Exemplar ist eine Urkunde Albrecht des Bären von 1160, der damit die Schenkung eines Dorfes an den Johanniterorden besiegelte. Das Landeshauptarchiv öffnet in der Zeit von 11 bis 16 Uhr seine Tore. Höhepunkt ist um 13Uhr die Vorführung einer Löschübung durch die Freiwillige Feuerwehr Bornim. Der Direktor des Landeshauptarchivs Klaus Neitmann erklärte gestern in Bornim, der Kontakt zur örtlichen Feuerwehr sei schon lange vor dem verheerenden Brand in der Weimarer Anna Amalia-Bibliothek hergestellt worden. Zu den am Tag der Archive weiterhin geöffneten Potsdamer Einrichtungen gehört die Außenstelle Potsdam der Stasi-Unterlagen-Behörde in der Großbeerenstraße 301, die ihre Magazin- und Karteiräume zwischen 10 und 18 Uhr geöffnet hat. Tondokumente mit der Stimme des Stasi-Chefs Erich Mielke werden zu hören sein, Mitarbeiter verdeutlichen zudem ihren Arbeitsalltag, an Beispielen wird die Entschlüsselung von Decknamen Inoffizieller Mitarbeiter vorgestellt. Besucher des Deutschen Rundfunkarchivs Babelsberg, Marlene-Dietrich-Allee 120, werden zwischen 10 und 16 Uhr historische Rundfunkgeräte betrachten und sich an Film-Medleys erfreuen können – erstellt aus Material von der „Aktuellen Kamera“ bis zum „Meister Nadelöhr“. Im Filmmuseum können Filmrequisiten, aber auch alte Filmvorführgeräte besichtigt werden. Das kleinste der Archive, das Potsdamer Stadtarchiv, zeigt zwischen 11 und 16 Uhr den Besuchern Recherchemöglichkeiten für die persönliche Familienforschung auf. Zudem bietet das „Gedächtnis der Stadt Potsdam“ die Chance, einmal selbst mit Federkiel zu schreiben oder Siegel zu nutzen. Übrigens: Die Sitzung 1949 über das Schicksal des Stadtschlosses hatte ein Nachspiel. Ein SED-Kader versah es später mit blauen Randnotizen. Die Redepassagen des Architekten Wedepohl kommentierte er mit dem Satz: „Den Banditen muss man sich mal ansehen.“Guido Berg
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