Sport: Den Europapokal versprochen
Potsdams Cheftrainer Bernd Schröder über das Erfolgsgeheimnis seiner Mannschaft sowie Pläne in der nächsten nationalen und internationalen Saison
Stand:
Wie haben Sie in der Nacht zu Montag nach Turbine Potsdams Meisterschafts- Triumph geschlafen, Herr Schröder?
Sehr unruhig. Ich konnte erst gar nicht einschlafen und hatte immer das Gefühl, dass dieser Erfolg nicht real sei.
Und was haben Sie am Montagmorgen beim Blick in die Zeitungen gedacht?
Erst als ich es da schwarz auf weiß gelesen habe, habe ich wirklich realisiert, dass wir Deutscher Meister sind. Am Sonntag stand ich ein bisschen neben mir, da konnte ich das Ganze noch gar nicht fassen.
Welches Tröpfchen haben Sie als Rotwein-Fan auf den Triumph genossen?
Noch gar keins. Und heute Abend werde ich mit meiner Frau eine Flasche Champagner öffnen – keinen Rotwein. Ich habe am Sonntagabend auf der Feier der Mannschaft nur ein Bier getrunken und eine Zigarre geraucht. Das war allerdings keine kubanische, die unser Vizepräsident Rolf Kutzmutz immer von Fidel Castro mitbringt, sondern eine Schröder-Zigarre von unserem Präsidenten Günther Baaske, die mir nicht sonderlich schmeckte.
Wer hat Ihnen inzwischen alles zum Titelgewinn gratuliert?
Die ganze Liga hat sich am Telefon oder per SMS gemeldet und gratuliert. Auch unsere neuen Spielerinnen, die im Juli zu Turbine kommen, beispielsweise Lira Bajramaj und Nadine Keßler.
Was dachten Sie, als Sie am Sonntag im Karl-Liebknecht-Stadion die Meisterschale in die Höhe rissen?
Um ehrlich zu sein: gar nichts. Ich war nach dem Schlusspfiff völlig leer. Ich konnte das Erreichte da noch gar nicht realisieren und befürchtete immer, in einem Traum zu sein, aus dem ich jeden Moment aufwachen würde.
Hatten Sie vor dem Herzschlagfinale der Bundesliga nicht doch insgeheim mit dem Titel geliebäugelt?
Überhaupt nicht. Vor diesem letzten Spieltag hatte ich alle Journalisten, die uns im Titelkampf vorn sahen, gefragt, ob sie in der Schule Mathematik abgewählt hätten. Man konnte doch überhaupt nicht dran denken, dass Bayern München beim Tabellenletzten Crailsheim kein Schützenfest veranstaltet. Aber Münchens Trainer Günther Wörle war krank geworden und konnte nicht mit zum letzten Spiel, dazu hatte der TSV Crailsheim mit über 1600 Zuschauern dreimal so viele Publikum wie sonst im Stadion – Bayern muss geflattert haben wie noch nie. Und Hubert Oechsner, der Sportliche Leiter des TSV, hat mir gestern erklärt, seine Elf sei an meisten von meiner Behauptung angestachelt worden, Crailsheim habe gar keine Mannschaft mehr.
Turbine ist zum dritten Mal nach 2004 und 2006 Deutscher Meister geworden. Welchen Stellenwert hat dieser Titel für Sie?
Den größten bisher, weil er mit dieser Mannschaft vorher überhaupt nicht zu erwarten war.
Woran machen Sie diesen Erfolg vor allem fest?
Unser Mannschaftsgefüge hat gestimmt. Die jungen Spielerinnen haben sich wunderbar in die Truppe eingefügt, und in den entscheidenden Spielen – vor allem in Duisburg und Frankfurt – haben wir die Gunst der Stunde für Siege nutzen können. Vorher hatten wir schon im Dezember in München trotz unserer Niederlage an Selbstvertrauen gewonnen, denn wir hatten dort eine Stunde lang hervorragend gespielt und nur durch unglückliche Gegentore verloren. Und auch unser Sieg beim Hallencup im Januar gab uns noch einen Schub. Nun haben wir alles dreimal gewonnen: Hallencup, DFB-Pokal und Meisterschaft
Im nächsten Jahr kann nur die erfolgrei- che Titelverteidigung Turbines Ziel sein, oder?
Das ist sie auch. Ich habe ja sogar den Europapokal versprochen. Mit unseren Neuverpflichtungen haben wir für das kommende Spieljahr eine Super-Mannschaft beisammen. Die wird noch besser sein als in diesem Jahr, da sich auch unsere jungen Spielerinnen weiterentwickeln werden.
Sie denken also schon an das Madrider Bernabéu-Stadion, in dem am 20. Mai 2010 der Champions-League-Sieger der Frauen gekürt wird?
Natürlich denke ich daran. Man darf doch mal träumen.
In der Übersicht Ihrer neuen Mannschaft für die kommende Saison fehlt Aferdita Podvorica, die noch einen Vertrag für die nächsten zwei Jahre hat
Afro ist ein wertvolles Mitglied unseres Vereins und hat einen Vertrag bis 2011, das ist richtig. Wie wir das regeln, werden wir sehen. Wir behalten uns da noch alle Optionen offen.
Bekommen Ihre Spielerinnen jetzt erst einmal Zeit zum Ausruhen?
Unsere Nationalspielerinnen haben jetzt zunächst zwei Wochen frei, ehe sich die Nationalmannschaft erstmals zur Vorbereitung auf die Europameisterschaft im August in Finnland trifft. Unsere U19-Auswahlspielerinnen bekommen nur zwei Tage frei, weil sie sich anschließend weiter auf die U19-Europameisterschaft vom 5. bis 26. Juli in Weißrussland vorbereiten müssen.
Und wann wird bei Turbine Trainingsbeginn für die am 20. September beginnende nächste Saison sein?
Offiziell am 27. Juli, da wir in der Women’s Champion League als Landesmeister nun erst am 30. September erstmals spielen müssen.
Wie werden Sie selbst sich in den nächsten Tagen vom Stress der vergangenen Wochen und Monate erholen?
Erst einmal gar nicht. Ich will unseren jetzigen Erfolg zwar in Ruhe genießen, daneben aber akribisch unsere U19-Spielerinnen auf die EM vorbereiten und schon die neuen Trainingspläne schreiben. Meine Frau hat am 2. Juli Geburtstag, dann werden wir mal acht Tage wegfahren – länger aber nicht. Wir müssen nach vorn gucken, denn man darf nicht denken, dass irgend etwas von allein läuft. Dann wird man ganz schnell zurückgeworfen.
Das Interview führte Michael Meyer.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: