Aus dem GERICHTSSAAL: Den Falschen an den Pranger gestellt?
Einspruch gegen Strafbefehl/Freispruch
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Aus dem GERICHTSSAALEinspruch gegen Strafbefehl/Freispruch „Ich will mir doch meine Karriere nicht versauen. So einen Blödsinn würde ich nie verzapfen“, beteuert Florian F. (20, Name geändert) vor dem Jugendgericht. Der in Burg stationierte Potsdamer möchte Zeitsoldat werden. Der erneute Zwischenstopp auf der Anklagebank könnte dem bereits wegen Körperverletzung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte Vorbelasteten seine Zukunftspläne verderben. Laut Strafbefehl soll der schmächtige Florian F. am 17. Oktober 2004 während des Bockbierfestes vor dem REWE-Markt im Zentrum Ost einen Besucher mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Der Malträtierte – so die Staatsanwaltschaft – erlitt eine Prellung am Auge, klagte danach über Schmerzen. Aus Sicht von Florian F. stellte sich die Situation allerdings ganz anders dar. Deshalb legte er Einspruch gegen das amtliche Schreiben ein. „Der Mann hat meine Mutter im Festzelt geschubst. Meine Mama ist eine kleine, zierliche Frau. Ich wollte ihr helfen. Da habe ich den Angreifer am Kragen gepackt und ihn gefragt, ob er noch ganz richtig im Kopf ist“, so der wegen vorsätzlicher Körperverletzung Beschuldigte. „Dann haben wir uns gegenseitig ein bisschen an den Sachen gezogen.“ Das vermeintliche Opfer ist groß und kräftig. Im Zeugenstand berichtet der 31-Jährige, vom Vater des Angeklagten von hinten ergriffen worden zu sein. „Danach hat der Sohn zugehauen.“ Nach dem Hieb aufs Jochbein habe er sich wenig später über ein prächtiges „Veilchen“ freuen können. „Und ich hatte eine Woche lang Probleme, auf der entsprechenden Seite richtig zu kauen.“ Die Jugendrichterin ermahnt den Zeugen, sich genau zu erinnern. „Nur weil Florian F. heute auf der Anklagebank sitzt, muss er noch lange nicht der Täter sein.“ Der Geschädigte kommt ins Grübeln. So genau könne er sich nicht mehr an das Gesicht des Angreifers erinnern, räumt er schließlich ein. „Ich hatte nämlich eine ganze Menge getrunken.“ Florian F. beteuert, nüchtern gewesen zu sein. „Von daher weiß ich noch ganz genau, was abgelaufen ist.“ Seine Mutter stützt die Aussage ihres Sohnes. Nachdem ihr Mann auf den Streit mit dem Festbesucher aufmerksam geworden sei, habe er ihn am Schlafittchen gepackt und vor das Zelt bugsiert, erinnert sie sich. „Dann kam Florian und zottelte noch ein bisschen an ihm herum.“ Kurz darauf sei der erheblich Angetrunkene tatsächlich ins Gesicht geschlagen worden, und zwar von einem Zwei-Meter-Mann. „Mir ist schleierhaft, was an dem Tag tatsächlich passiert ist“, stöhnt der Staatsanwalt. Da berechtigte Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten bestehen, plädiert er auf Freispruch. Dem schließt sich das Gericht an. Hoga
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