Landeshauptstadt: Den ganzen Tag Sonne
Thomas Beyer lebte in Caputh seinen Bauhaus-Traum aus. Das Ergebnis ist am Sonntag zu besichtigen
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Caputh - In Weimar aufgewachsen, Studium der Architektur an der Bauhaus-Universität Weimar und bei Giorgio Grassi am Polytechnico in Mailand – Thomas Beyer scheint vorherbestimmt, die Fackel modernen Bauens hochzuhalten. Nach seinen Vorbildern gefragt, nennt er gern mehrere Namen, Richard Neutra, Richard Meier, kommt aber immer wieder auf einen zurück, Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969), der vielleicht bedeutenste Architekt der Moderne. Und bei Mies van der Rohe faszinierte Beyer insbesondere das „Farnsworth House“, ein Landhaus im US-Bundesstaat Illinois, gebaut aus Glas und Stahl oder wie Mies van der Rohe sagte, „aus praktisch nichts“. Das Haus von 1950/51 ist heute eine Ikone der modernen Architektur, vom National Trust for Historic Preservation für Besucher offengehalten. Die Bauherrin Edith Farnsworth erklärte jedoch damals: „Ich wollte etwas ,Bedeutungsvolles’ haben und alles, was ich bekam, war diese glatte, oberflächliche Sophisterei.“
So erging es Thomas Beyer in Caputh freilich nicht. Die heutigen Eigentümer des von Beyer kreierten Hauses in der Geschwister-Scholl-Straße 21 können ihr Glück kaum fassen, wenn sie vom Wohnzimmer im Erdgeschoss, oder noch besser, vom Schlafzimmer im ersten Geschoss aus auf „caprihafte Sonnenuntergänge“ überm Schwielowsee und der Insel Petzow blicken. Das Glück der Eigentümer hinterher ist das Glück des Architekten vorher, der das malerische Grundstück hoch über dem Ortskern von Caputh so bebauen durfte, wie er es für richtig hielt. Beyer: „Man hat das nicht oft, seine Intentionen voll ausleben zu können.“
Nach dem Abriss von ein paar älteren Schuppen und dem eingehenden Studium des Geländes erkannte Beyer die Chancen. Das wie ein schmales Handtuch geschnittene, 1600 Quadratmeter große Grundstück verläuft zunächst waagerecht, um dann am Hang steil nach unten abzufallen. Die örtlich vorgeschriebene Baugrenze lässt ein Bauen direkt am Hang zu. Beyers Gebäude setzt genau an dieser Kante an; dessen rechteckiger Grundriss der Längsausrichtung des Grundstücks folgt. Der Wohnzimmer-Küche-Komplex nimmt fast das gesamte Erdgeschoss ein. Nach Südwesten ist der Quader komplett verglast und erweitert sich auf eine fast das gesamte Haus umlaufende Terrasse. Lediglich durch zwei Betonwände an der Nordost-Ecke ist das Erdgeschoss geschlossen. „Wir wollten das Panorama ins Haus holen“, erklärt Beyer die Intentionen, „man fließt quasi hinaus in die schöne Situation“. Der Vergleich des Erdgeschosses mit einem Pavillon liegt nahe; die Bezüge zum freilich auf 360 Grad verglasten „Farnsworth House“ Mies van der Rohes und zum „Glass House“ von Philip Johnson, der dafür 1979 den erstmals ausgelobten Pritzker-Preis bekam, sind unverkennbar. Durch die Öffnung der Ost- West-Seite seines Hauses haben die Bewohner „den ganzen Tag Sonne“, so der Architekt, mit dem Sonnenuntergang als Höhepunkt und Ausklang desTages.
Klassisch modern sind auch viele Accessoirs im Inneren des Hauses. „Von so einem Boden aus Polyurethan hat Mies van der Rohe geträumt“, ist sich Architekt Beyer sicher. Sein Idol habe noch Linoleum verwenden müssen
Die Betonwände an der Nordseite sind kerngedämmte Fertigteile mit einer wunderbar glatten Oberfläche, wie sie bei einer Betonschalung aus Brettern vor Ort nie entstehen würde. Der Clou des Erdgeschosses ist freilich ein vielleicht vier mal zwei Meter großes, vom Boden bis zur Decke gehendes „Einbaumöbel“, das sich auf der lichtzugewandten Seite als Einbauküche, auf der Seite zum Flur jedoch als Einbauschrank entpuppt.
Man muss es mögen: Eine ganze Wand aus Glas in der Toilette im Obergeschoss ist nicht jedermanns Sache. „Es gibt Leute, die sagen, da kann man nicht wohnen“, resümiert der Eigentümer – und verweist auf die großen Metall-Jalousien, die gegebenenfalls auf blickdicht gestellt werden können.
Ein Fremdkörper in einer von Walmdächern nur so strotzenden Nachbarschaft ist Thomas Beyers Gebäude keineswegs. Ebenfalls in der Geschwister-Scholl- Straße steht ein klassisches Bauhaus des Architekten Heinrich Laurenz Dietz aus den 1920er Jahren. Nicht zuletzt kann in Caputh das Einsteinhaus von Konrad Wachsmann herangezogen werden, um zu belegen, dass Beyer mit seinem Mies-van-der-Rohe-Traum in bester Gesellschaft ist.
Das Wohnhaus in Caputh, Geschwister-Scholl-Straße 21, ist am „Tag der Architektur“ am Sonntag, den 26. Juni, von 13 bis 18 Uhr zu besichtigen. Führungen ab 13, 15 und 17 Uhr.
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