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Homepage: Den Heißluftballon notlanden Menschenrechte im gesellschaftlichen Prozess

Wenn Menschenrechte Ballast wären, der einen Heißluftballon am Weiterfliegen hindert, auf welche Rechte würden man verzichten? Kinder würden in einer solchen spielerischen Versuchsanordnung zuerst das Recht auf ein eigenes Zimmer verwerfen, auch ein Menschenrecht auf Taschengeld oder Ferien müsse es nicht geben.

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Wenn Menschenrechte Ballast wären, der einen Heißluftballon am Weiterfliegen hindert, auf welche Rechte würden man verzichten? Kinder würden in einer solchen spielerischen Versuchsanordnung zuerst das Recht auf ein eigenes Zimmer verwerfen, auch ein Menschenrecht auf Taschengeld oder Ferien müsse es nicht geben. So hat es Prof. Bernd Overwien in seiner Forschungsarbeit erfahren, von der er unlängst auf einer Podiumsdiskussion über Menschenrechte im gesellschaftlichen Lernprozess am Einstein Forum berichtete.

Zunächst einmal gingen auf dem Podium juristische, moralische, konfessionelle und metaphorische Begriffsbestimmungen von Menschenrechten bunt durcheinander. Kein Wunder, wenn eine Philosophin, eine Strafrechtlerin, eine Pädagogin und Vertreter von gesellschaftlichen Institutionen über ein scheinbar selbstverständliches Thema debattieren. Die Vielschichtigkeit, so zeigte die Diskussion scheint eine Definitionsvielfalt zu verlangen, denn so notwendig die juristische Festlegung von Mindeststandards für Menschenrechte ist, so sehr braucht es metaphorische Vermittlung in der pädagogischen Arbeit.

Einig war sich das Podium in der Wahrnehmung, dass es in Deutschland zwar eine große Akzeptanz für das Engegement für Menschenrechte in der Welt gibt, es jedoch schwer sei, Menschenrechte als innenpolitisches Thema zu etablieren. Heiner Bielefeldt, Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte verwies etwa auf die Zustände in Altersheimen, wo allzu oft Menschenrechte verletzt würden.

Susan Neiman, Direktorin des Einstein Forums, wies sich als Amerikanerin ironisch eine professionelle Außenperspektive zu und plädierte für eine positive Wahrnehmung des Zustands der deutschen Gesellschaft einerseits, und für positive, gegenwärtige Helden andererseits. Die Motivation, sich für Menschenrechte einzusetzen, dürfe nicht allein auf Schuldgefühle setzen, vielmehr müsste es cool sein, sich für Menschenrechte zu engagieren – eine Zuschreibung, die auf Irritationen stieß, woraufhin die Kantianerin in die Sprache des Aufklärers übersetzte. Jeder, so Kant, habe einen Moment der Freiheit vor seinen Entscheidungen, ob ihnen Todesurteile oder Verletzungen des Selbst folgen. Es gelte sich dieses Moments der subjektiven Entscheidungsfreiheit bewusst zu werden. In die pädagogische Arbeit übersetzt heißt das: „So lange sich Schüler engagieren können, finden sie Demokratie cool.“

Wie sehr aber gerade die Schule ein negativer Ort der Menschenrechtsbildung sei, zeige eine Untersuchung im bürgerlichen Westberlin, nach der mehr als die Hälfte der Jugendlichen die Schule als einen Ort von Gewalt wahrnehmen, und eben nicht als Ort von Freiheit. Erst aus dem Publikum kam dann der Hinweis, dass Menschenrechte nicht unerheblich von ökonomischen Fragen abhingen, von Menschen also, die sich für Menschenrechtsfragen nicht zuständig fühlten. Dieser „gesellschaftliche Zynismus“, kam in der zweistündigen Diskussion ebenso zu kurz wie die akuten Menschenrechtsverletzungen in Abschiebeheimen von Asylbewerbern.

Die Herausforderung sah Bielefeldt schließlich darin, Menschenrechte auf institutioneller Ebene quer zu letzten Glaubensfragen zu etablieren. Kinder, so Overwien, plädierten manchmal auch entschieden dafür, ihren Heißluftballon landen zu lassen, statt alle Menschenrechte über Bord zu werfen. Lene Zade

Lene Zade

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