Von Juliane Gau: Den Lauf der Zeit aufhalten
Der Rokokosaal der Max-Dortu-Grundschule kann besichtigt werden
Stand:
Innenstadt - Da, wo nun Kinder das Einmaleins büffeln, lag am 29. Juni 1826 die Frau eines Justizrats keuchend in den Wehen. Am Ende hielt sie ihren Sohn in den Armen: Johann Maximilian Dortu, den heutigen Namensgeber der Grundschule in der Dortustraße 28/29. 1771 nach Plänen von Georg Friedrich Unger erbaut, findet sich in dem ehemaligen Wohnhaus eine Besonderheit der Potsdamer Architekturgeschichte: Der mit künstlerisch hochwertigen Stuckateuren überzogene Rokokoraum. Am „Tag des offenen Denkmals“ an diesem Sonntag kann er besichtigt werden. „Dieser Raum ist der letzte seiner Art in einem bürgerlichen Haus in Potsdam“, erzählt Tom Zimmermann, Diplom-Restaurator und zweiter Vorsitzender des „Förderkreises Rokokoraum der Max-Dortu-Schule“. Der im September 2005 gegründete Förderkreis will den Raum in seinen ursprünglichen Glanz zurückversetzen, bestenfalls zur 150- Jahr-Feier der Schule in zwei Jahren.
„Denkmäler sind gebaute Zeugen der Vergangenheit, der Geschichte“, begründet der Restaurator mit den blauen Augen, dessen Sohn selbst drei Jahre lang in die Max-Dortu-Grundschule ging, sein Engagement. „Warum sich allerdings in einem Bürgerhaus ein Rokokoraum befindet, weiß man nicht genau. Entweder hat der Bauherr, wohl ein Tuchhändler, selbst oder ein späterer Eigentümer des Hauses engen Kontakt zum König und somit zum königlichen Stuckateur gehabt. Einer der Nutzer des Hauses soll auch der Leibarzt Friedrich des II. sein", erklärt Zimmermann. Denkmale seien nicht am Reißbrett entstanden, sondern dokumentieren über lange Zeiträume gewachsene Zustände. An seinem Beruf reize ihn die Vielfalt, die Verbindung von Handwerk, Kunst oder auch Chemie. „Die Zeit als Dimension ist interessant an dem Beruf, und die Relativität aller Dinge bekommt man natürlich mit“, so Zimmermann. Anhand von alten Zeitungen, die man unter den Tapeten finde, stoße man mittelbar auf das Leben der ehemaligen Bewohner.
Während das Leben von Max Dortu im Rahmen der Revolution 1848 turbulent weiterging und am 31. Juli 1849 durch Erschießen ein jähes Ende fand, nahm die Lebensgeschichte des Hauses ruhigere Bahnen. 1859 wurde es von der Familie Dortu für 14 000 Taler an die Stadt verkauft, wie Recherchen zum Rokokoraum von Studenten der Potsdamer Fachschule für Werbung und Gestaltung ergaben. Mit dem neuen Eigentümer bekam das Haus eine neue Funktion: 1860 wurde in dem Rokokoraum eine „Höhere Töchterschule“ gegründet, damals hieß die Dortustraße noch Waisenstraße. Generationen von Mädchen bereiteten sich in dem ehemaligen Wohnhaus auf ihre zukünftige „Karriere“ als Ehefrau vor, 1906 wurde ein weiteres Schulgebäude angebaut, diesmal mit Kantine. Bis heute blieb das Gebäude eine Schule - geändert haben sich nur die Schulformen, 1949/50 wurde die erste Jungenklasse eröffnet, die letzte Abiturklasse verließ 1956/57 das Gebäude. Der Rokokoraum selbst diente bis etwa 1940 als Klassenzimmer, später nur noch gelegentlich bei schulischen Veranstaltungen.
Die Arbeiten gehen voran, allerdings bleiben noch die Stuckgestaltung sowohl plastisch als auch von der Farbfassung her zu restaurieren, um die Vergangenheit in die Zukunft retten.
Tag des offenen Denkmals: Öffnungszeiten von 11 bis 17 Uhr; Tim Zimmermann ist ab 15 Uhr anwesend.
Juliane Gau
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: