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Landeshauptstadt: Den Namen wiedergeben

Realschule im niedersächsischen Lengede heißt „Willi Frohwein“. Der KZ-Überlebende und Potsdamer erzählte den Schülern seine Geschichte

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Potsdam/Lengede - Mit „Willi-Frohwein-Realschule“ meldet sich die Sekretärin im niedersächsischen Lengede. Offiziell wird die Schule erst am kommenden Freitag im Rahmen einer Ehrung des Potsdamers umbenannt. Seit aber feststeht, dass die Realschule „Willi Frohwein“ heißen wird, üben alle – von der Direktorin bis zur Sekretärin.

„Wir wollten dem Mann, der die Konzentrationslager Auschwitz, Dora/Nordhausen und Bergen-Belsen überlebte, seinen Namen wiedergeben“, sagt Mario Schubert. Im KZ, erläutert der Geschichtslehrer, wurden die Häftlinge namenlos gemacht, hatten zur Identifizierung Zahlenfolgen eintätowiert bekommen. Willi Frohwein war die Nummer 122 785. „Mein Name steht für Millionen, die die Nazis umgebracht haben“, sagt der 85-jährige Potsdamer. Als Zeitzeugen lernten Schubert und seine Schüler den beeindruckenden Erzähler in der KZ-Gedenkstätte Dora/Nordhausen kennen. Danach folgten mehrere Einladungen nach Lengede. „Vier Mal war Willi Frohwein inzwischen bei uns“, sagt Mario Schubert.

„Ich erzähle, was ich erlebt habe. Ich kann nur meine Geschichte weitergeben, kann nur sagen, was ich gefühlt habe, im Angesicht des Todes“, sagt Willi Frohwein. Der KZ-Überlebende hatte lange geschwiegen, versucht, zu verdrängen. Erst als in den 60er Jahren dem KZ-Arzt Horst Fischer vor dem Obersten Gericht der DDR der Prozess gemacht wurde, brach er sein Schweigen. Fischer hatte ihn zweimal für die Gaskammer ausgesucht, sagt Willi Frohwein. „Und dann wurde ich immer wieder gerettet.“ Während der Prozesszeit habe er Albträume gehabt, die noch schlimmer gewesen seien als die Realität. Da platzte es aus ihm heraus. Bis heute ist sein Kalender voll mit Vortragsterminen – in Berlin, Thüringen, Sachsen-Anhalt. Am Freitag nun reist er mit seinem Sohn nach Niedersachsen, Schwester und Schwager kommen auch.

Es sei eine große Sache, dass eine Schule künftig seinen Namen trage. „Ich hatte mit allem gerechnet – damit nicht“, gesteht Willi Frohwein. Es ist ziemlich einmalig, eine Einrichtung nach einem Zeitgenossen zu benennen, der noch lebt. „Das war nicht schwierig durchzusetzen“, sagt Geschichtslehrer Schubert. Schüler, Lehrer und Eltern stimmten alle zu. Auch beim Landkreis sei man auf Zustimmung gestoßen. Vorher hatte die weiterführende Schule mit rund 500 Schülern schlicht „Realschule Lengede“ geheißen, ein Name, den man mit dem Grubenunglück von 1963 verbindet. Deshalb wird der Ortsname auch Bestandteil des Schulnamens bleiben, erklärt Schubert. So werde also die Schule vollständig „Willi Frohwein Realschule Lengede“ getauft. Die Schüler wollen mit der Namensgebung vor allem Willi Frohwein einmal mehr Danke sagen, so der Geschichtslehrer. Das hatten sie in der Vergangenheit bereits mit szenischen Lesungen getan, in denen sie aus Häftlingsberichten zitierten. „Ich freue mich sehr auf die Jugendlichen“, sagt Willi Frohwein – in Gedanken schon in Niedersachsen.

Dort laufen die Vorbereitungen für den großen Tag bereits auf Hochtouren, erzählt der Geschichtslehrer. An den Flurwänden habe man „Sprüche von Frohwein“ verewigt, eine Dauerausstellung mit Schautafeln führt durch die Lebensgeschichte des Namenspatrons. „Vor allem die jüngeren Schüler fragen immer danach“, sagt Schubert. Das Thema Drittes Reich und Judenverfolgung stehe aber erst in der 9. Klasse auf dem Lehrplan, sagt der Geschichtslehrer.

Ein Konzept für seine Ansprache am Freitag hat er nicht, wie immer, wenn Willi Frohwein etwas sagen soll. „Vor mir reden sieben Leute, was soll ich da vorbereiten.“

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