
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Den Pförtner abgeschafft
Sommerfest im Klinikums-Standort In der Aue / Elektrokrampftherapie bei schweren Depressionen
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Babelsberg - Erst am 1. Juli hat das Zentrum für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik seine fünfte Station eröffnet. Damit verfügt die Klinik In der Aue in Babelsberg, Außenstation des Klinikums „Ernst von Bergmann“, nun über 100 stationäre Betten, wie der stellvertretende Zentrumsleiter Dr. Hasso Klimitz gestern am Rande des traditionellen Sommerfestes der Einrichtung erklärte. Zudem habe sich die Zahl der Therapieplätze in Tageskliniken auf 43 erhöht. Grund hierfür sei die Eröffnung einer zweiten Tagesklinik am Hauptstandort in der Charlottenstraße. „Die älteren Potsdamer aus der Innenstadt sollen nicht so weite Anfahrtswege haben“, erläuterte Klimitz. Zudem sei bei einem Standort in der Innenstadt die Hemmschwelle niedriger, so der Psychologe, da viele Patienten noch immer ungern dabei erkannt werden wollten, wenn sie „zum Nervenarzt“ gehen.
Aber auch In der Aue ist Klimitz zufolge einiges offener gestaltet worden: So habe es bis 2008 noch einen Pförtner gegeben, der den Schlagbaum auf und zu machte. Diesen gebe es nun nicht mehr, jeder kann das Gelände betreten. Er freue sich, wenn er Kinder sehe, die ihren Schulweg über das Zentrumsgelände abkürzen. Früher sei es eine Drohung gewesen: „Pass bloß auf, sonst kommst du In die Aue.“ – „Das verliert offenbar an Wirkung“, meint Klimitz.
„Das Wort ,geschlossene Station’ gibt es nicht mehr“, erläuterte Oberarzt Dr. Matthias Theophil das Konzept der „offenen Psychiatrie“. Bei einem Rundgang erklärte er den Besuchern, dass In der Aue das gesamte Spektrum der psychischen Erkrankungen behandelt wird – Schizophrenie, Depressionen, manische Erkrankungen, Anpassungsstörungen nach Krisensituationen, aber auch Suchterkrankungen, in der Mehrzahl Alkoholismus. Im Zuge der demografischen Entwicklungen kommen Theophil zufolge zunehmend Demenzerkrankungen älterer Menschen hinzu. In Umsetzung des „Heterogenitätsprinzips“ gebe es keine Spezialstation, etwa eine Gerontopsychiatrie, vielmehr würden Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen in einer Station behandelt. Das führt dem Oberarzt zufolge zu einem entspannteren Stationsklima „als in einer Station mit 25 Depressiven“. Lediglich die Suchterkrankten würden aufgrund spezifischer Therapien separat behandelt.
Eingehender erläuterte Theophil die Elektrokrampftherapie (EKT), abwertend auch als Elektroschocktherapie bezeichnet, die im Haupthaus in der Charlottenstraße angewendet wird. Diese sei 1938 erfunden worden, zu einer Zeit, als den Ärzten kaum Medikamente zur Behandlung psychischer Störungen zur Verfügung standen. Bis dato seien psychisch Kranke lediglich verwahrt, aber kaum behandelt worden. Theophil erklärte sich selbst als Befürworter der EKT: „Bei klarer Indikation würde ich es auch an mir selbst machen lassen.“ Anwendung finde die EKT etwa bei Patienten mit bestimmten schweren Depressionen, die erfolglos über Monate schwere Medikamente eingenommen haben. Oft würden sie auf die Elektrotherapie gut ansprechen. Allerdings sei die Rückfall-Gefahr gegeben. Gegner der EKT kritisieren, so der Oberarzt, dass nicht bekannt sei, wie die Therapie wirkt. Der Wirkmechanismus sei nicht vollständig geklärt. Guido Berg
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