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Lehramts-Studentinnen der Uni Potsdam erprobten am Helmholtz-Gymnasium Ideen für Unterricht / Uni sucht Kontakt zu Schulen
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Gegen 15 Uhr passieren viele Schüler den Ausgang des Potsdamer Helmholtz-Gymnasiums. Sie haben es eilig, die Schule ist für heute aus. Doch ein Grüppchen von Studierenden der Universität möchte hinein. Es handelt sich um sechs Studentinnen der Fachrichtung Anglistik/Amerikanistik für Lehramt. Die Stimmung unter den Studentinnen ist leicht angespannt, als wäre eine Prüfung zu bestehen. Sie möchten mit Lehrerinnen des Gymnasiums über neue Unterrichtskonzepte sprechen.
Die Studentinnen hatten die Methoden selbst erarbeitet und in einer Klasse des Gymnasiums erprobt. Es war ihre erste Unterrichtserfahrung. Dann sind die Studentinnen zu einem Treffen mit Lehrern an das Gymnasium eingeladen worden. Die Ideen zum landeskundlichen Unterricht, Thema Südafrika, haben breiteres Interesse geweckt. Aber werden die Konzepte auch vor den „alten Hasen“ bestehen können?
Spätestens bei einem Vorbereitungstreffen an der Uni wurde deutlich, dass von den angehenden Lehrern einiges erwartet wird. Frei sprechen, eine Selbstverständlichkeit. Die Formulierungen müssen sitzen, Uni-Jargon kommt nicht gut an. Wie ist der Raum eingerichtet? Wie präsentiert man seine Konzepte an der Tafel? Diese Fragen wiegen schwer, nicht nur vor Schülern, sondern gerade vor zukünftigen Kollegen. Der Ausflug in die Praxis erwartet die Studierenden im Rahmen der schulpraktischen Studien (SPS). Sie müssen zwei Stunden in einer Klasse unterrichten. In diesem Fall war es die 10e am Helmholtz-Gymnasium. Nachdem die Studierenden insgesamt 12 Stunden zu einem landeskundlichen Thema gehalten hatten, lud Klassenlehrerin Christiane Wienert sie erstmalig zum vertieften Erfahrungsaustausch ein. „Die Studentinnen sind dankbar für das Feedback“, sagt Dorothee Heinz, die das Projekt betreut hat. Erfahrung ist alles in diesem Beruf.
Bei der Präsentation am Helmholtz-Gymnasium macht dann Juliane Hofmann den Anfang. Sieben Englischlehrerinnen haben schweigend in der Runde Platz genommen. Juliane Hofmann hat in ihrer Unterrichtsstunde ein südafrikanisches Gedicht behandelt. „Ich persönlich liebe Gedichte“, sagt sie. Leider sehen Zehntklässer dies meist ein wenig anders: Metrum bestimmen, Übersetzungsübungen, Metaphern interpretieren. Wie macht man das den Schülern schmackhaft? Juliane Hofmann hat ihre eigene Methode mit der Klasse ausprobiert. Schließlich sollte es in dem Uni-Kurs um Methodenvielfalt gehen. Sie teilte die Schüler in Gruppen auf. Das Metrum wurde mithilfe von Instrumenten bestimmt, mit Rasseln, Perkussion und einem Entchen aus der Badewanne. Und die Übersetzung? Die Studentin wollte keine Übersetzung Wort für Wort. Sie ließ die Schüler den Sinn des Gedichtes übersetzen. Sie sollten ihre Gefühle ausdrücken. Zustimmendes Nicken bei den Lehrerinnen. Die Texte der Schüler können sich sehen lassen. Für die Metaphern ließ Hofmann die Schüler Bilder malen. „So kommt die Interpretation ganz von selbst.“
Langsam schmilzt das Eis zwischen Lehrerinnen und Studentinnen. „Wie springt man in eine solche Stunde rein?“, fragt eine Englischlehrerin. Der Einstieg und der Ausstieg aus den Unterrichtsstunden sind besonders heikle Momente. Die Schüler müssen schnell begeistert werden, ohne dem nachfolgenden Kollegen Chaos in der Klasse zu hinterlassen. Hier seien ihnen die Schüler sicherlich unterstützend entgegen gekommen, geben die Studentinnen zu. Die Skepsis im Publikum weicht. Einige Lehrerinnen fangen an, sich Notizen zu machen.
„Am liebsten hätte ich mit den Schülern gekocht“, erzählt Sophie Graupner. Thema ihrer Stunde war südafrikanisches Essen. Die Schüler sollten Gruppenarbeit leisten. Das Kochen war aber nicht machbar. Also gestaltete Sophie Graupner einen Marktplatz im Klassenzimmer. Die Schüler sollten dort Zutaten einkaufen, Rezepte studieren und Gerichte kochen. Anschließend fragten neugierige Esser, was denn da drin sei. Die Zutaten? Aus Papier ausgeschnitten. „Zuviel Arbeit für die Lehrerin“, urteilt Sophie Graupner rückblickend. Zeit ist für Lehrer ein wertvolles Gut.
Am Ende ernten die Studentinnen viel Anerkennung. „Der Besuch der Studentinnen hat uns einen Spiegel vorgehalten“, freut sich Initiatorin Christiane Wienert. „Das Klassenklima hat sich durch den Besuch der Studentinnen verbessert“, erzählt Frau Wienert ihren Kolleginnen. Auch Ingrid Schubert, die seit über 20 Jahren am Helmholtz-Gymnasium unterrichtet, ist zufrieden. Sie hat das Heft gekauft, in dem die Studentinnen ihre Methoden dokumentiert haben. „Die Uni sucht den Kontakt“, gibt Dorothee Heinz den Lehrerinnen noch mit. „Die Studierenden brennen darauf, an die Schulen zu gehen.“ Es sei nicht einfach, Theorie und Praxis in der Lehrerausbildung zu vereinen. Am Lehrstuhl von Prof. Heidemarie Sarter, der die Praxis-Studien durchführt, sei man daher über neue Kontakte mit Schulen erfreut. Besonders im Potsdamer Stadtgebiet. Und was sagen die Studentinnen? Sie atmen erstmal auf. Die Unterrichtsmethoden haben sich bewährt. „Das ist mehr Wert als eine Note“, sagt Juliane Hofmann.
Mark Minnes
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