
© A. Klaer
Homepage: Den Zorn hüten
Zum zweiten Potsdamer Hochschulgottesdienst sprach FH-Professorin Angela Mickley in der Friedenskirche über den Zorn
Stand:
Wohl jeder hatte schon Kontakt mit der geradezu eruptiven Wucht von aufbrausender Wut und Empörung. In die hochexplosive Mischung der Emotionen spielen oft auch Kraft oder Ohnmacht hinein, ein Gefühl innerer Hitze bis hin zur Weißglut, die sich ausbreitet im Ansturm von Zorn. Der Zorn wird zu den sieben Todsünden gezählt, seit das Mittelalter ihn mit dem Stigma des sündenbringenden Lasters belegte. Zorn steht auch heute nicht gerade hoch im Kurs. Das Wissen um Kontrollverlust, wo Zorn um sich greift, um seine zerstörerische Kraft und die Gewaltbereitschaft des Zornigen – bis hin zum Tötungsdelikt – steht einer möglichen Akzeptanz von Zorn im Wege.
Umso erstaunlicher die Gedanken über den Zorn, die Friedenspädagogin Professor Angela Mickley von der Fachhochschule Potsdam im Rahmen des zweiten Potsdamer ökumenischen Hochschulgottesdienstes in der Friedenskirche vortrug. Angela Mickley wies verschiedene Wege aus dem Wirrwarr des Zorns. Bei mehrfachen Begegnungen mit paramilitärischen Gruppierungen in Kriegsregionen hatte Mickley beispielsweise erlebt, warum Aktivisten aus tiefster innerer Überzeugung heraus im Engagement für ihre Sache auch Waffen sprechen lassen. Wenn Menschen bedingungslos für ihre inneren Überzeugungen einstehen, erwachse daraus eine treibende Kraft.
„Doch was bringt uns der Zorn?“, fragte die Pädagogin Mickley weiter. Der „Entwicklungsauftrag“, so die Wissenschaftlerin mit langjähriger Erfahrung und Forschungstätigkeit im Bereich der Mediation, bestehe darin, den Zorn in die richtigen Bahnen zu lenken. Wenn die Menschen mit dem Zorn richtig umgingen, bestehe die Chance für eine Wandlung von Perspektive und Verhalten. Als Ausgangsgefühl berge Zorn das Potenzial für ein Engagement in eine richtige und gute Richtung. Zerstörung ist demzufolge nur eine Seite der Medaille. Die andere jedoch bietet Perspektiven: indem man sich selbst auf den Weg begibt, um Situationen konstruktiv zu lenken und zu gestalten und dadurch dem Teufelskreis von Ohnmacht und Aggression zu entkommen.
Eindringlich rief die Friedenspädagogin Mickley dazu auf, die Geste des Zorns, wann immer er auftritt, zu erhalten, ihn wohl zu „hüten“. Dieses jedoch nicht, ohne die Form zu verändern, in der sich Zorn mitteilt. Wenn Mickley notwendige Entwicklungsschritte für Menschen in Konflikten fordert, teilt sich in dieser Überzeugung auch etwas vom reichen Erfahrungsschatz der Mediatorin mit. Zorn, lautet die gute Botschaft Mickleys, ist nicht zwangsläufig zu verdammen, da er die Chance konstruktiver Wandlung, Entwicklung und Gestaltung in sich trägt.
Die jeweils am ersten Sonntag im Monat stattfindenden Hochschulgottesdienste widmen sich aktuell den sieben Todsünden. Die Evangelische Studierendengemeinde, Katholische Studentengemeinde und der Lehrstuhl für Religionswissenschaft an der Universität Potsdam entwickelten für die Vortragsreihe gemeinsam das Konzept. Stellvertretend für eine wissenschaftliche Disziplin, die inhaltlich Bezugsmöglichkeiten zu einer der Todsünden zulässt, spricht ein ausgewählter Referent. Als Liturgen im Gottesdienst am zweiten Advent wirkten der katholische Religionswissenschaftler Professor Johann Ev. Hafner und der evangelische Studentenpfarrer und Gemeindepädagoge Hans Georg Baaske. Den musikalischen Part übernahm das Violinenduo Mechthild Eichenberg und Franziska Fleischhauer. Almut Andreae
Am Sonntag, 9. Januar 2011, 18 Uhr spricht in der Friedenskirche Professor Norbert Franz (Uni Potsdam) über „Geiz“.
Almut Andreae
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