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WENDLANDS Sicht: Denkmalpflege ist nicht gleich Denkmalpflege

Seit langem schon gehe ich durch Potsdam mit einem liebevollen Blick auf Architektur und Städtebau. Mehrere Generationen von Denkmalpflegern haben in dieser Zeit hier gewirkt, ich selbst auch.

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Seit langem schon gehe ich durch Potsdam mit einem liebevollen Blick auf Architektur und Städtebau. Mehrere Generationen von Denkmalpflegern haben in dieser Zeit hier gewirkt, ich selbst auch. Was fällt mir im Stadtbild bei aller Freude heute über Zurückgewonnenes und Gerettetes zunehmend auf? Vor allem, dass Denkmalpflege nicht gleich Denkmalpflege ist.

Drei Beispiele: Die Farbgebungen heute sind komplett andere als die, die wir damals als fachlich richtig befunden hatten. Das Knobelsdorff-Eckhaus am Alten Markt war früher dezent hellgrün und beige abgesetzt, das Haus besaß auch durch die Farbgebung eine Plastizität und Lebendigkeit. Heute erkenne ich es kaum wieder, es ist eine nicht definierbare dunkelgraulila Farbe, die sich über das gesamte Haus ergießt. Das goldene Gitter und die weißen Figuren auf dem Dach scheinen ein merkwürdiges Einzelleben zu führen, als ob sie nicht dazugehören wollen – oder sollen? Ich wundere mich. Nächstes Beispiel: Das Hillerbrandtsche Haus (1769) wurde erstmalig farbig zu DDR-Zeiten wieder hergestellt so wie es bei Friedrich Nikolai 1786 beschrieben ist. Heute sind wichtige Details, die auf damaliger intensiver Forschung beruhten, entfernt: Die ursprünglichen Blindfenster der Barockzeit sind mit der Renovierung 2010 verschwunden. Drittes Beispiel: Im Holländischen Viertel sind 1975 halbhohe Fensterläden an zwei Häusern angebracht wie zur Entstehungszeit im 18. Jahrhundert; auch dieses beruhte auf intensiven Forschungsergebnissen. Den Menschen gefiel es, auch die Pläne das Holländische Viertel abzureißen, wurden danach gestoppt. Bei der Erneuerung der Erdgeschossfenster im Jahr 2011 wurden die 1975 angebrachten Fensterläden wieder entfernt. Ich ärgere mich.

Bekanntestes Beispiel zurzeit ist die geplante Neubebauung und der damit verbundene Abriss des Hauses Dietz. Auch das war eine Arbeit der DDR-Denkmalpflege, ein Wiederaufbau eines denkmalgeschützten Bauhausgebäudes. Der Nachbau stand ebenfalls unter Denkmalschutz, in einer Liste von 1975 stand explizit „Wohnhaus Dietz“, nur die Hausnummer wurde verwechselt. Ich wundere und ärgere mich spätestens hier nicht mehr, sondern bin richtig wütend, wie wenig Wertschätzung Menschen und ihre Arbeitsleistungen, die sich im Bereich der Denkmalpflege keinesfalls verstecken müssen, heute entgegengebracht wird. Wir haben damals sogar Aufstockungen zurückgebaut, um die Ensemblewirkung aus der Entstehungszeit wiederherzustellen. Heute wäre das undenkbar, weil es „sich rechnen muss“.

Unser Autor lebt seit 1945 in Potsdam. Er studierte in Berlin und Dresden und ist seit 1968 als Architekt in Potsdam tätig.

Christian Wendland

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