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Landeshauptstadt: Der alte Fritz

Fritz Pawelzik berichtete in der Nikolaikirche von der Missionarsarbeit in Afrika: Er selbst wurde 1994 zu Nana Kofie Maafo II., zum König von 300 000 Untertanen, zum Häuptling des Volkes der Ashanti

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Ach was hätte er alles erzählen können! Wie er in einer Zeche in Herne unter Tage arbeitete. – Was freilich nicht ungewöhnlich ist für ein Kind des Ruhrgebiets. Oder, dass er im ideologischen Wahn seiner Jugend im letzten Aufgebot 1945 die Reichskanzlei in Berlin verteidigen half. Auch das ist keine Überraschung: Fritz Pawelzik ist ein Deutscher des Jahrgangs 1929. Zu hören, wie er nach Afrika ging, um den christlichen Glauben zu verbreiten, wäre schon interessanter. „Vom Hitlerjungen zum Missionar“, mit dieser Geschichte könnte Fritz Pawelzik durchaus durch die Kirchen tingeln und seine Zuhörer ins Staunen bringen. Doch der alte Mann in den schwarzen Kordhosen und dem braunen Pullover hätte noch mehr zu bieten. Die außergewöhnlichste Begebenheit seines Lebens widerfuhr ihm 1994 in Ghana: Als Kofie Maafo I., Häuptling des Volkes der Ashanti, starb, glaubte Nana, die Mutter des dahingeschiedenen Häuptlings, in Fritz Pawelzik lebe die Seele des geliebten Sohnes weiter. Beide waren an einem Freitag auf die Welt gekommen und beide waren Bergmänner, König Kofi besaß eine Goldmine.

In den Augen der Ashanti also ausgestattet mit der Seele ihres toten Häuptlings, lag für diese nichts näher, als den deutschen Rentner zu ihrem Häuptling zu küren, zum König von 300 000 Untertanen. Wie also aus Fritz Pawelzik „Nana Kofie Maafo II.“ wurde, was so viel heißt wie „Häuptling Freitag der Starke“, das ist natürlich die Geschichte, die die Besucher des Gemeindeabends jüngst in der Potsdamer Nikolaikirche gern von dem Mann in dem braunen Pullover gehört hätten.

Aber der alte Fritz erzählt sie nicht. Er verliert auch kein Wort darüber, dass es ihm laut Stammesgesetz möglich gewesen wäre, 36 Nebenfrauen zu haben. Fritz Pawelzik erzählt lieber die Geschichte von Martin, einem christlichen Missionar bei den Massai in Tansania. „Die brauchen auch den Glauben“, fand dieser Martin. Doch der Massai-Häuptling entgegnete: „Wir haben einen eigenen Gott.“ Die Christen seien doch auch nur wie alle anderen. Zwei Jahre hielt Martin regelmäßig Gottesdienste ab, aber niemand kam in seine Kirche, „höchstens einmal ein Huhn“. König Fritz erzielt mit dieser Bemerkung ein Lachen in der Gemeinde. Er erzählt einfach, direkt, unakademisch, wie ein Großvater seinem Enkel von früher. Oder wie ein Missionar in Afrika. Eines Tages stand vor der Kirche ein Afrikaner, ein ganz armer Mensch. Es ist ein blinder Albino-Massai. Seine Haut ist pigmentfrei und von der Sonne völlig verbrannt. Überall ist er mit Wunden und Narben überdeckt. Von den Massai wurde er verstoßen, weil sie Angst hatten, von ihm verhext zu werden, berichtet Fritz Pawelzik. Der Blinde bat um Essen und Trinken und Martin gab es ihm. Weiter nahm er ihn auf und machte ihn zu seinem Helfer. Da der Massai gern die Bibel lesen wollte, schickte Martin ihn für drei Jahre auf die Blindenschule in Nairobi. Er war hochbegabt und nach drei Jahren hatte er gelernt, wie mit nur sieben verschiedenen Vertiefungen auf dem Papier das ganze Alphabet dargestellt werden kann. Er wurde auf den Namen Christopher getauft und bekam zum Schulabschluss als Geschenk das Markus-Evangelium in Blindenschrift und einen Fußball. Das Leder hatte eine Klingel in seinem Inneren und König Fritz, der mit Christopher Fußball spielte, hatte im Tor keine Chance gegen ihn. Pawelzik erzählt, er habe nach Sonnenuntergang mit dem Spielen aufhören wollen: „Ich kann doch nichts mehr erkennen.“ Christopher antwortete: „Ich doch auch nicht“.

Christopher nun las, was den Massai allein wie ein Wunder vorgekommen sein muss, die Geschichte von Abraham vor. Der war laut Pawelzik „eine Flasche“, weil er seine Frau verraten hatte. Der skeptische Häuptling aber wurde aufmerksam: Das waren keine Heldengeschichten, sondern welche aus dem richtigen Leben, mit Menschen darin, die so vorkommen, wie Menschen wirklich sind. Fortan füllte sich die Kirche zusehends. Martin und er kamen nicht an bei den Massai, „aber der Christopher“. Fritz Pawelzik bekräftigt die Trias der christlichen Missionarsarbeit: Kirche, Schule, Krankenhaus – Leben, Geist und Seele. „Die Moslems“ dagegen, baut Pawelzik einen Gegensatz auf, „bauen immer nur Moscheen“.

Und die Ashanti, sein Volk? „Die rufen dauern an.“ Fritz Pawelzik wohnt in Düsseldorf. Weil er Probleme mit seinem Knie hat, war er seit zwei Jahren nicht mehr in Ghana. „We pray for you“ – „Wir beten für dich“, sagen sie ihm am Telefon. Die Frage nach den Nebenfrauen beantwortete er einmal an anderer Stelle: „Ich bin glücklich verheiratet und hätte sicher Ärger mit meiner Karin bekommen “

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