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Von Guido Berg: Der Aufbauhelfer

Die Weggefährten von Cornelius „Conny“ van Geisten erinnern sich des Sanierungsträger-Gründers

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Dem Schicksal gefällt es nicht immer, große Aufgaben für Menschen vorzubehalten, die sie auch bewältigen können. Bei Cornelius van Geisten hat es ihm gefallen: „Er hat die Stadt gerettet“, sagt der Potsdamer Architekt Günter Vandenhertz. Die große Aufgabe wuchs als Birken-Sprösslinge in kaputten Dachrinnen, fiel als Putz von den Wänden, griff als Schwamm in die Dachstühle, gähnte aus toten Fenstern unzähliger leerstehender Häuser in Potsdam. 1990 waren bis zu 80 Prozent der Häuser in den barocken Stadtquartieren in erbärmlichem Zustand. In einzelnen Blöcken des Holländischen Viertels standen 40 Prozent der Gebäude leer. Vandenhertz: „Wir standen vor dem völligen Zusammenbruch.“

1991 kam ein Westdeutscher aus Berlin-Kreuzberg nach Potsdam – Cornelius van Geisten, Vertreter einer behutsame Stadterneuerung. Er war kein Wessi, war nicht überheblich, nicht großspurig, sondern „einer von uns“, wie Vandenhertz sagt. Der Gründer des Sanierungsträgers war ein großgewachsener Mann mit natürlicher Autorität. Ja, sicher, sagt Gesa Haan vom Sanierungsträger, es gab auch “mal Differenzen. Aber dann ging man eben zum tief Luftholen um den Block. Was der Mann inspirierte, war streitbar. Was heute als städtebaulicher Geniestreich gilt, davon mussten viele in langen Sitzungen überzeugt werden. Immer mit den Bürgern, nicht gegen sie. „Er hat Aufgaben formuliert, Grundlagen geschaffen, vieles angestoßen“, so Gesa Haan.

Zuerst ging es van Geisten darum, Bewohner und Handwerksbetriebe in den maroden Vierteln zu halten. Das bedeutete Sanierung bei laufendem Betrieb. Seine Konzepte berücksichtigten das Nebeneinander von gewerblicher Arbeit und Wohnen. Nicht immer gelang es: Der Orgelbaubetrieb Schuke musste letztlich wegen seines wachsenden Raumbedarfs das Holländische Viertel verlassen. Das Sanitätshaus Kniesche aber ist geblieben. Van Geistens Prämisse war es, 50 Prozent der Altstadt-Gebäude für das Wohnen herzurichten. Nicht jedem gefiel das, erinnern sich Weggefährten: In den ersten Jahren nach der Wende, als Büroräume noch knapp waren, hätte eine gewerbliche Nutzung mehr Rendite versprochen. In jedem Bauantrag haben die Sanierungsträger-Mitarbeiter nachgesehen, ob da auch eine Wohnung drin vorkam. Das Ergebnis, so Gesa Haan: „Das Holländische Viertel ist keine Biermeile geworden.“ Da der Erfolg viele Väter hat, rühmen sich heute andere des Platzes vor dem Nauener Tor. „Es war seine Idee, den Platz als solchen erlebbar zu machen“, versichert Gesa Haan. Dort, wo heute wie kaum anderswo in der Innenstadt im Sommer italienisches Lebensgefühl aufkommt, hätte es ohne van Geisten wohl anders ausgesehen: Der Denkmalschutz wollte im Nauener Tor ein Lapidarium einrichten – eine Sammlung von Steinskulpturen. Ins Café Heider – das Haus in der Friedrich-Ebert-Straße 29 ist seit 1887 ein Caféhaus – wäre ohne van Geistens Einspruch eine Bankfiliale eingezogen. Architekt Vandenhertz erinnert an eine Parallele, die Alte Wache. Dass dort ein Café einzieht, dafür habe er vergeblich gekämpft. „Die Charlottenstraße leidet noch immer darunter“, so Vandenhertz.

Einen „Pflock eingeschlagen“ hat van Geisten auch mit dem dezentralen Konzept für die Bundesgartenschau 2001 in Potsdam, so Buga-Mitorganisatorin Rose Fisch. In Erinnerung sei vielen nur der Volkspark im Bornstedter Feld. Buga-Projekte waren aber auch die Gestaltung des Platzes der Einheit, der Lennéschen Feldflur, der Freundschaftsinsel, des Lustgartens sowie des Nutheparks. „Das war ein entscheidender Schub für die Innenstadt“, so Rose Fisch. Potsdam werde seitdem wieder als Stadt wahrgenommen; zuvor sei sie lediglich das Areal zwischen Sanssouci und Neuem Garten gewesen.

Nicht zuletzt gehen auch Anstöße für die Umgestaltung der Potsdamer Mitte auf Cornelius van Geisten zurück. Das Verkehrskonzept samt Freilegung des Stadtschlossgrundrisses etwa. Auch die erste Machbarkeitsstudie für das Fortuna-Portal habe van Geisten auf den Weg gebracht. „Er hat Diskussionsprozesse organisiert und überlegt, wie nehme ich die Potsdamer mit auf die Reise“, so Rose Fisch. Architekt Vandenhertz findet, die Situation in der Potsdamer Mitte sei heute ähnlich wie 1990 in den Altstadtgebieten. Ganze Quartiere, etwa an der Alten Fahrt oder an der Fachhochschule, entstehen neu. Deren Gestaltung sei noch völlig unklar. Es müsste diskutiert werden, doch es fehlt ein Moderator. „Uns fehlt heute eine solche Persönlichkeit, wie sie van Geisten war“, sagt Vandenhertz.

Cornelius van Geisten hat den Sanierungsträger bis 1997 geleitet und ging danach zurück nach Berlin-Kreuzberg. Er starb am 30. Oktober, kurz nach seinem 65. Geburtstag.

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