Sport: Der Aussteiger
Zehn Potsdamer sind am Start. Ein Jahr trainieren. Fitter und gesünder werden. Länger durchhalten. Das ganz eigene Ziel erreichen. Mit dabei: Robert Tietze
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Robert Tietze mag es ganz. „Bei meiner Arbeit als Sprachtherapeut schaue ich mir nicht nur die Symptome, sondern das ganze System an“, sagt er. In seiner Praxis therapiert er Sprach-, Sprech- und Kommunikationsstörungen. Die Frage nach dem Erfolg einer Therapie beantwortet er banal: „Wenn ich Defizite und Störungen ausräumen kann.“ Doch freue er sich auch über kleine Ziele: „Manchmal ist es bereits ein Erfolg, wenn Patienten bereit sind, mit mir therapeutisch zu arbeiten“, sagt er.
Die Symptome, die zu seiner ganz persönlichen Verordnung führten, sich mehr zu bewegen, seien deutlich gewesen. „Wenn du merkst, dass du beim Treppensteigen ins Schwitzen kommst und T-Shirts zu eng werden, sind das klare Zeichen“, sagt er. Dabei habe er sich nicht unzufrieden gefühlt. Doch es ging dem 37-jährigen Potsdamer so wie vielen: „Oft ergibt sich aus der Erkenntnis nicht die Konsequenz.“ Zum Glück gibt es kleine Zufälle mit größeren Folgen. „Es war Zufall, dass ich in der Zeitung von Potsdam läuft gelesen habe“, sagt Tietze. Und das, was er las, war genau sein Thema: die Umkehr schaffen, wieder einsteigen - oder aussteigen aus dem Lotterleben, wie Tietze es sagt.
Wobei es das nicht war, im Gegenteil. Als er sich als Sprachtherapeut vor vier Jahren selbstständig machte, „war das das Lebensbestimmende“. Er habe den ganzen Tag und die halbe Nacht gearbeitet, seine ganze Zeit und Energie in die eigene Praxis gesteckt. „Das hatte einfach Priorität, was anderes gab es nicht“, sagt er. Es klingt grotesk: Er kurbelte wie in einem Hamsterrad und bewegte sich dennoch zu wenig; die Tage rasten dahin, vieles wurde immer hektischer, nur er wurde langsamer. „Ich bin Perfektionist“, sagte Tietze, „ich würde wieder viel Energie reinstecken. Die Disziplin, mich selbst etwas zu schützen und auch mal Nein zu sagen, hatte ich nicht.“
Dafür musste er erst einen Vertrag machen. Zumindest empfindet Robert Tietze seine Zusage so, bei „Potsdam läuft“ mitzumachen. „Indem ich es öffentlich gemacht habe, wurde es zur Verpflichtung“, sagt er. Und auf diese werde er inzwischen regelmäßig angesprochen. Freunde, Verwandte, Patienten, selbst seine Friseurin frage: Na, wie läuft’s?
„Bisher gab es keinen Moment, in dem ich es bereut habe“, sagt Robert Tietze. Natürlich koste es manchmal Überwindung, am Abend nach Praxisschluss loszulaufen. „Aber es tut gut.“ Auch die Engpässe und Fallen, um wieder in die Komfortzone zu stolpern, die Konflikte seien allgegenwärtig. „Aber das Wissen, dass es nicht gut ist, dem nachzugeben, ist ausgeprägter“, so Robert Tietze.
Das Gefühl, ein Training geschafft zu haben oder der süße Muskelschmerz nach einer Krafteinheit wecken Erinnerungen. „Als Kind habe ich viel Sport gemacht“, sagt Robert Tietze. Im Wildpark, wo er aufgewachsen ist, „waren wir ständig draußen“. Bei der SG Geltow hat er Fußball gespielt. „In der Abwehr, und die Außenbahn bin ich hoch- und runtergerannt“, erzählt er. Zur Sportschule am Luftschiffhafen, wo er Mitte der 1990er-Jahre sein Abitur gemacht hat, ist er immer mit dem Rennrad gefahren. Und noch bis vor einigen Jahren war es ganz einfach, sich die Laufschuhe anzuziehen, loszujoggen und in Berlin oder auf dem Darß beim Halbmarathon an den Start zu gehen. „Wieder dahinzukommen, konsequent zu sein, wird schwierig“, weiß Robert Tietze. Aber er hat es sich fest eingetragen: Wo jetzt im Praxis- oder Hauskalender Training steht, lässt er auch nichts und niemanden dazwischenkommen. Mit seiner Familie habe er da eine verbindliche Absprache getroffen - funktionierende Kommunikation ist schließlich sein Fachgebiet. Peter Könnicke
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