Landeshauptstadt: „Der Chips essende Sofasitzer bleibt“
Der Leiter des neuen Bereiches UFA Interactive in Potsdam, Gerrit Peter Wahle, spricht über das neue Fernsehen, eine sich verändernde Mediennutzung und eine virtuelle Armee im Taschenformat
Stand:
Wie sieht er denn aus, der Fernsehzuschauer von morgen?
Eigentlich ganz klassisch: Er sitzt zu Hause auf dem Sofa vor der Flimmerkiste, isst Chips, lehnt sich zurück und konsumiert Unterhaltung. Die so genannte Coach Potatoe bleibt uns also erhalten.
Wozu brauchen wir dann neues Fernsehen?
Zum einen, weil die Ansprüche der Nutzer nach Interaktivität und nach Unabhängigkeit weiter steigen werden, zum anderen weil neue technische Möglichkeiten das Konsumieren von Bewegtbildinhalten über neue Plattformen wie das Handy möglich macht.
Ein Beispiel
Web-TV-Shows wie www.rocketboom.com. Diese produzieren für das Internet täglich eine rund fünfminütige Show im Magazin-Stil. Das lässt sich schnell mal zwischendurch am PC schauen. Auch die UFA bereitet derzeit ein solches Angebot vor. Sendestart ist im Herbst dieses Jahres.
Was erwartet die Internet-Zuschauer?
Ein Potpourri aus Show, Magazin, Unterhaltung. Witzig moderiert, leicht anarchistisch, radikal – das Gegenteil zur Tagesschau.
Geht es ein bisschen genauer?
Nein. Es soll ja eine Überraschung sein.
Wie finanziert sich Fernsehen im Internet? Ploppen erst einmal mehrere Werbefenster auf, bevor die Show beginnt?
Wir planen das Angebot zunächst werbe- und für die Nutzer kostenfrei. UFA Interactive betrachtet das Projekt vorerst als Test. Wenn wir mit dem ersten Produkt scheitern, legen wir ein zweites, drittes und viertes auf, bis es funktioniert. Und wenn ein Konzept funktioniert und signifikante Reichweite erzielt, können wir es an Werbetreibende vermarkten.
Sie stürzen sich in Unkosten?
Natürlich ist die Entwicklung und Produktion von Inhalten mit Kosten verbunden. Ein solches Format lässt sich aber durchaus günstig und trotzdem hochwertig herstellen.
Mit dem Internet TV erreichen Sie also die Menschen am Computer. Welche neuen Zielgruppen erschließen Sie sich noch mit den neuen Medien?
Zum Beispiel die Rezipienten, die berufsbedingt mehr unterwegs sind als zu Hause. Für diese wird das Handy zum Zugangsgerät für Bewegtbildinhalte.
Einen 90-minütigen Spielfilm oder eine Sportübertragung auf einem Streichholzschachtel großen Display zu verfolgen ist aber doch unzumutbar
Zum einen gibt es bereits spezielle Endgeräte mit größeren Bildschirmen, zum anderen entwickeln wir speziell für das Handy Inhalte, die eben nicht über 90 Minuten volle Konzentration vom Zuschauer verlangen und in die man schnell ein- und wieder aussteigen kann. So bereitet unsere Tochtergesellschaft Phoenix Film derzeit die Produktion einer 30-teiligen Serie mit dreiminütigen Folgen für einen deutschen Mobilfunknetzbetreiber vor.
Wie unterscheidet sich eine Mobile Seifenoper von einer Folge „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“?
Zum einen in der Länge: Sowohl Übertragungskapazitäten als auch die Situation in der üblicherweise das TV-fähige Handy zum Zeitvertreib genutzt wird, machen die Beschränkung der Spielzeit auf drei bis fünf Minuten pro Sendung sinnvoll. Dann auch in der Dramaturgie der Geschichte und der technischen Produktionsumsetzung.
Sie zielen mit einer „Mobile Soap“ auf eine junge Zuschauerschaft ab. Ähnliches gilt wohl auch für das Handyspiel „Master of Maya“, das die UFA gemeinsam mit ihrer Tochtergesellschaft teamWorx und ihrem Partner Siemens auf der diesjährigen CeBit vorgestellt hat
Ja, wir zielen hier auf eine Zielgruppe der 13- bis 18-Jährigen ab. Ähnlich wie Klingeltöne können sich die Kids das Basisspiel Master of Maya auf ihr Handy laden. Ziel ist es, eine virtuelle kampfstarke Armee im mobilen Telefon aufzubauen, die es mit jedem Gegenspieler auf der Welt aufnehmen kann.
Das klingt so, als strapaziere die Taschenarmee ganz schön das Taschengeldbudget der jungen Spieler?
Ein solches Produkt kann man nicht auf den Markt bringen ohne ein transparentes und für die junge Zielgruppe und deren Eltern akzeptables und überschaubares Preismodell. Schließlich wollen wir ja nicht, dass alle – nachdem sie ihre horrende Telefonrechnung bekommen haben – nach einem Monat aussteigen.
Wie verhält es sich hier mit der Übertragung?
Für uns als Hersteller lag die Herausforderung in der Umsetzung eines technisch sehr komplizierten Multiplayer-Systems. Hier betreten wir zusammen mit unseren Partnern Exit Games und infospace Neuland. Das mobile Spiel setzt eine stabile Verbindung des Handies zum Server voraus. Der User muss ohne Zeitverlust sowohl mit einem Gegner aus Deutschland, aber auch zum Beispiel in Kuala Lumpur spielen können.
Wann geht „Master of Maya“ an den Start?
Wir planen den Launch in Deutschland zum Ende dieses Jahres. Eventuell wird das Spiel aber in einem außereuropäischen Markt Premiere feiern.
Zurück zur Coach Potatoe. Besteht über interaktives Fernsehen doch noch die Möglichkeit, auch den Sofasitzer aktiv zu beteiligen?
Nehmen Sie zum Beispiel „9live“. Das ist die einfachste Form von Zuschauerbeteiligung: Ich rufe an und spiele mit. Nachteil: Es sitzen Hunderttausende vor dem Fernseher, nur wenige kommen durch. Die Interaktion ist limitiert. Es werden sich in Zukunft aber für die Zuschauer attraktivere Modelle der Interaktion zwischen Sender und Rezipient entwickeln. Wir beobachten derzeit im Internet den Trend zum so genannten User Generated Content, also Inhalte, die vom Zuschauer selbst kommen, sowie den Trend zum Blog.
Was hat man sich darunter vorzustellen?
Die Rezipienten entwickeln und produzieren selbst Videos und teilen sich so der Community über ihren Blog oder spezielle Webplattformen für Videos mit. Hier wird der Rezipient selbst zum Produzenten und Sender. In diesem breiten Spektrum zwischen Coach Potatoe und eigenem Sendebetrieb bewegen sich unsere Zuschauer bald. Und allen wollen wir auch in Zukunft attraktive Medieninhalte und redaktionell betreute Plattformen anbieten. Das ist die Herausforderung, der wir uns als Marktführer bei der Produktion von audiovisuellen Inhalten stellen und UFA Interactive soll hierbei eine wichtige Unterstützung liefern.
Das Gespräch führte Nicola Klusemann.
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