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Er hat ein Fundament geschaffen. Marcus Dreier ist Student – und vertritt seit fast anderthalb Jahren die Interessen seiner Kommilitonen, aber auch die der Einrichtung selbst als einziger studentischer Vize-Präsident der Fachhochschule.

© Andreas Klaer

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Marcus Dreier ist Student und Vizepräsident der Fachhochschule. Dort vermittelt er zwischen Kommilitonen und Professoren

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Wenn in seinem Büro auf dem Campus Kiepenheuerallee das Telefon klingelt, sind oft Studierende von Fachhochschulen anderer Bundesländer in der Leitung. „Wie läuft das wirklich ab?“, wollen sie von Marcus Dreier wissen. Gemeint ist seine Arbeit als studentischer Vizepräsident der Fachhochschule Potsdam. Der 25-Jährige kann diese Frage gut verstehen: „Genau das habe ich mich am Anfang natürlich auch gefragt.“ Dreier wurde im April 2013 erster studentischer Vizepräsident der Fachhochschule Potsdam. Im vergangenen März wählte der Senat den Bachelorstudenten für eine zweite Amtszeit. Bislang haben nur wenige Hochschulen in Deutschland einen Studierenden in ihrem Präsidium: die private Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, die Hochschule Eberswalde und die Universität Rostock.

„Ein Studi zwischen den Stühlen wollte ich nicht sein und bin ich auch nicht geworden“, sagt Dreier nach gut einem Jahr im Amt. Seit 2007 studiert er in Potsdam Architektur und Städtebau. „Wenn ich das Gefühl hätte, für die Studierenden nichts erreicht zu haben, säße ich nicht mehr hier.“ Den studentischen Vizepräsidenten hat Eckehard Binas an der FH eingeführt, um studentischen Interessen mehr Gehör zu verschaffen. Binas, seit Januar 2013 Präsident der Fachhochschule, war auf Dreier durch dessen hochschulpolitisches Engagement aufmerksam geworden: Mitarbeit im Fachbereichsrat Architektur und Städtebau sowie Referent im Allgemeinen Studierenden Ausschuss (Asta), später beratendes Mitglied des Senats und des Asta sowie studentischer Vertreter im Verwaltungsrat des Studentenwerks Potsdam. Neben Dreier gibt es noch drei weitere Vizepräsidenten – allesamt Professoren.

„Wir haben uns anfangs viel gegenseitig erklärt“, sagt Dreier. Für ihn sei insbesondere die Einarbeitung in Finanzfragen ein schwerer Brocken gewesen. „Da geht es schließlich um Millionen“, sagt Dreier und greift in eine Schüssel Süßigkeiten, die er für Gäste in seinem Büro stehen hat. Finanzierungsmöglichkeiten, Personalfragen und Besoldungsstufen – mit all dem habe er vorher wenig zu tun gehabt. Dreier arbeitete sich durch Berge von Akten und führte Gespräche in den einzelnen Fachbereichen. „Anfangs musste ich mir erst einmal eine gewisse Akzeptanz erarbeiten.“ Von mehreren Seiten schlug ihm Skepsis entgegen. „Können wir mit dem noch offen sprechen?“, hätten sich manche Studierende gefragt. Auch Professoren reagierten verhalten auf den jungen Vizepräsidenten im Kapuzenpullover. „Der weiß doch überhaupt nicht, wie es läuft“, habe da wohl mancher gedacht, vermutet Dreier. Es dauerte nicht lange, da konnte er seine Gesprächspartner vom Gegenteil überzeugen.

Seine Hauptaufgabe sei es, aufzuklären, das Bewusstsein für studentische Belange in der Hochschulleitung zu schärfen. Viele Professoren lebten in einer anderen Welt und hätten Schwierigkeiten zu verstehen, vor welchen Herausforderungen und unter welchem zeitlichen und finanziellen Druck Studierende heute stehen. „Den klassischen Studi, der sich voll aufs Studium konzentrieren kann, gibt es nicht mehr.“ Man müsse sich fragen, inwieweit Vollzeitstudiengänge noch realistisch seien, insbesondere für eine Hochschule, die für Familienfreundlichkeit eintritt. „Das Regelwerk ist oft abstrakt. Ich muss verdeutlichen, was Änderungen für die Studierenden im Alltag bedeuten.“ Dreier sieht sich deshalb als Übersetzer zwischen Studierenden und Hochschulverwaltung. Ein Beispiel: „Ein Professor im Forschungssemester ist für Studis ein Prof, der weg ist. Andererseits bringen Forschungssemester neue Inhalte an die Hochschule.“

Probleme gab es mit der elektronischen Verarbeitung von Noten und Studiendaten. „Ich musste der Verwaltung klarmachen, wie dramatisch es für die Studierenden ist, wenn sie ihre Noten nicht rechtzeitig dem Bafög-Amt melden können.“ Die Studierenden erfuhren im Gegenzug, dass kein böser Wille hinter der Verzögerung steckte. Einen Erfolg sieht Dreier in der Einführung der elektronischen Chipkarte im kommenden Wintersemester, die er vorangetrieben hat. Sie ist Studierenden- und Bibliotheksausweis, Mensacard und Fahrkarte zugleich.

Für seine Arbeit als Vizepräsident investiert Dreier etwa 20 Stunden pro Woche. Die restliche Zeit studiert er. Dreier, im sächsischen Stollberg geboren und in Chemnitz aufgewachsen, wusste schon früh, in welche berufliche Richtung es gehen sollte. Er schloss die Fachoberschule in der Fachrichtung Gestaltung ab. Dann kam das Studium in Potsdam, anfangs wohnte er in Campusnähe. Inzwischen lebt er in einer WG in Berlin-Zehlendorf. „Ich muss einfach auch mal rauskommen und abschalten“, sagt er. Mit Freunden ausgehen, so etwas. Seine regelmäßigen Fahrten zu Studierendenvertretungen in anderen Städten nutzt er auch, um seine Neugier auf Architektur und Städtebau zu befriedigen. Hamburg gefällt ihm besonders gut. Den Umgang mit Architekten und Neubauten findet er in Potsdam schwierig, wie er sich vorsichtig ausdrückt. Den Abzug der FH-Studenten aus der Innenstadt hält er für einen großen Fehler.

Derzeit schreibt Dreier seine letzten Hausarbeiten, dann ist die Bachelorarbeit dran. Wenn alles klappt, ist er im April 2015 fertig. Und dann? „Erst einmal Urlaub und dann praktische Erfahrungen in einem Architekturbüro im Großraum Berlin-Brandenburg – das wäre schön“, sagt Dreier. Wenn er geht, läuft auch seine Amtszeit ab und ein Nachfolger muss her. Dreier ist optimistisch: „Das Fundament ist da.“

Maren Herbst

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