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Am Belegpunktesystem der Universität Potsdam scheiden sich die Geister / Der AStA klagt nun dagegen

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„Wohl die meisten Germanistikstudenten fielen zu Beginn des Sommersemesters aus allen Wolken“, ereifert sich ein aufgebrachter Student der Universität Potsdam. Zum kommenden Wintersemester sei die Studienordnung verändert worden. Nun müssten die Studierenden quantitativ übermäßig viele Leistungen erbringen, was die Qualität des Studiums einschränke. „In jeder Veranstaltung müssen wir dann Hausarbeiten oder Klausuren schreiben, uns Prüfungsgesprächen stellen und Referate halten“, so der Studierende, der seien Namen nicht genannt wissen will. Darüber hinaus wirft der Lehramtsstudent in einem Leserbrief der Universitätsleitung vor, das Bachelor-/Master-System „dilettantisch eingeführt“ zu haben, indem an den Studierenden mit den neuen Studiengängen „herumgedoktert“ werde.

Nachdem seit dem Wintersemester 2004/05 alle Lehramtsstudiengänge auf Bachelor/Master umgestellt worden sind, folgen im kommenden Semester die Magisterstudiengänge. Mit der Umstellung kommt die Universität Potsdam den Anforderungen der 1999 von den Bildungsministern unterzeichneten Bologna-Erklärung nach. Der Bologna-Prozess sieht vor, dass bis 2010 europaweit vergleichbare Bachelor/Master-Studiengänge eingeführt werden.

Die Prorektorin für Lehre und Studium an der Universität Potsdam, Frau Haßler, erläutert, warum in Potsdam nicht das sonst übliche „Maluspunktesystem“ sondern eine Neuschöpfung mit Namen „Belegpunktesystem“ eingeführt wurde. „Schon weil es ‚Malus'' heißt, bekommen die Studierenden Angst“, sagte Frau Haßler den PNN. Bei dem Belegpunktesystem gebe es keine grundsätzliche Veränderung. Der neue Name soll mit dem bisherigen schlechten Image aufräumen.

Der Germanistikstudent kritisierte weiterhin auch die Art und Weise, wie die neue Studienordnung für Lehrämtler eingeführt worden sei. Er nennt es eine „Frechheit“, wie mit den Studierenden verfahren werde. Er habe sein Studium vor drei Semestern mit einer Studienordnung begonnen, mit der er nun nicht mehr zu Ende studieren könne. Nachdem er zu Beginn des laufenden Semesters erfahren habe, dass er sein Studium mit dem Belegpunktesystem weiterstudieren müsse, sei er sich wie ein „Versuchskaninchen“ vorgekommen. „Ich befasse mich mehr mit der Studienordnung als mit Lessing oder Sprachdidaktik“, so der angehende Deutschlehrer.

Zwischen der Universitätsleitung und dem Allgemeinen Studierendenausschuss der Universität Potsdam (AStA) besteht Unstimmigkeit über das Risiko, aufgrund nicht erfolgreich abgeschlossener Leistungskontrollen exmatrikuliert zu werden. Wurden die Studierenden bislang im Laufe ihres Studiums hauptsächlich in Zwischen- und Abschlussprüfung geprüft, so legt das Belegpunktesystem nun eine Leistungskontrolle nach jeder belegten Veranstaltung fest. Entscheidend ist bei dem Streit die Beurteilung der Wiederholungsmöglichkeiten von nicht bestandenen Prüfungen. Konnte zuvor jede Prüfung zweimal wiederholt werden, so verfügt ein Student nach dem Belegpunktesystem nun über ein Konto, mit dem er über sein gesamtes Studium verteilt zehn bis fünfzehn mal durch Prüfungen durchfallen und diese dann wiederholen kann.

Prorektorin Haßler sieht hier eine Übereinstimmung mit den Interessen der Studierenden. „Die Studenten sind hochzufrieden, weil sie nicht nach der zweiten durchgefallen Prüfung exmatrikuliert werden.“ Der AStA-Referent für Hochschulfragen, Matthias Wernicke hält dagegen. „Waren es vorher bei zwei Prüfungen sechs mögliche Versuche, die Leistung zu erbringen, so können die Studierenden jetzt im Schnitt nur noch jede zweite Prüfung einmal wiederholen.“ Seien die Belegpunkte einmal aufgebraucht, berge jede Hausarbeit die Gefahr, exmatrikuliert zu werden.

Einig sind sich alle Parteien darüber, dass der Druck auf die Studierenden durch das neue Punktesystem enorm erhöht wurde. Die Meinungen gehen aber darüber auseinander, ob sich das Potsdamer Belegpunktesystem in Zukunft als lähmende Einschränkung der Selbstständigkeit der Studierenden oder als gelungenes Instrument der breiten Wissensaneignung entpuppen wird.

Der AStA klagt nun gegen das Belegpunktesystem der Universität Potsdam. Bereits am 9. Juni hat der Potsdamer Studierendenausschuss beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Klage gegen das Verfahren eingereicht. Das Verfahren ist auch bundesweit von Bedeutung, denn die Potsdamer Hochschule ist die erste, die solch ein System eingeführt hat.

Friedmar Tielker

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