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Homepage: Der Einzelne und das Weltganze Olivier Remaud erforscht den Kosmopolitismus

Ist der Kosmopolit der Mann von Nirgendwo, fragt Olivier Remaud. Der Franzose lehrt gegenwärtig an der Universität Potsdam als Forschungspreisträger der Alexander von Humboldt Stiftung.

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Ist der Kosmopolit der Mann von Nirgendwo, fragt Olivier Remaud. Der Franzose lehrt gegenwärtig an der Universität Potsdam als Forschungspreisträger der Alexander von Humboldt Stiftung. Im Gespräch mit dem Romanisten Markus Messling, der ebenfalls an der Uni Potsdam lehrt, versuchte der weit gereiste Franzose unlängst am Einstein Forum herauszufinden, was heute in dem Begriff des Kosmopolitismus steckt. Über das Thema hat Remaud in den vergangenen Jahren geforscht. In Kürze wird er ein Buch dazu in Paris veröffentlichen. Der Begriff des Kosmopolitismus liege im Spannungsfeld zwischen dem frei um die Welt fliegenden Weltbürger und dem fremdbestimmten Leben des Emigranten, der zur Auswanderung gezwungen sei, so Remaud.

Der Kosmopolit müsse sich anpassen an die Gegebenheiten des Universums, die sich ständig verändern, stellt der Wissenschaftler fest. Schon in der Antike habe sich der griechische Philosoph Diogenes als Kosmopolit bezeichnet. Über die Jahrtausende habe sich die Ideengeschichte des Weltbürgertums weiter entwickelt. Heute gebe es auf der einen Seite Soziologen wie Richard Sennett, der die Vereinzelung und Orientierungslosigkeit des Individuums gegenüber einer immer globaler vernetzten Welt untersuche. Auf der anderen Seite stünden Schriftsteller wie Michel Houellebecq, die trotz des weltweiten Erfolges ihrer Werke wohl nicht dem Kosmopolitismus zuzurechnen seien. Denn es fehle ihnen an dem notwendigen Wissen um die Herausforderungen der Solidarität, der sich moderne Gesellschaften stellen müssten.

Das Bewusstsein um die Welt, ihre Zusammenhänge und die vielfachen Wirrnisse und Verwerfungen, denen das Individuum in Zeiten allgegenwärtiger, fluider Waren- und Informationsströme ausgeliefert sei, präge gegenwärtig das Bild des Kosmopoliten, so Remaud. Vieles Reisen und die Möglichkeit, heute innerhalb kurzer Zeiträume praktisch jeden Punkt der Welt zu erreichen, führe aber nicht notwendigerweise zu einem kosmopolitischen Bewusstsein.

Vielmehr ergebe sich für den Weltbürger ein Mosaik aus Haltungen und Emotionen, das immer auch ein Risikospiel mit verschiedenen Sprachräumen sei und beinhalten könne, in ein Land zu kommen, in dem man völlig fremd sei. Im Idealfall ergebe sich daraus ein „Gefühl der kosmologischen Einheit des Menschengeschlechts“. Das umfasse auch diejenigen, die ihren Mitmenschen feindlich gesonnen seien. Im Gespräch weist Messling auf die Eigenart hin, dass sich oftmals diejenigen als Weltbürger bezeichneten, die tatsächlich eher lokal verankert seien und die Universalität ihres Gedankenguts gerne beim Plausch in der universitären Cafeteria zum Besten geben würden. Remaud sieht hierin jedoch keinen Widerspruch, da jeder Mensch von einem bestimmten Ort stamme.

Ob es überhaupt noch Menschen gibt, die lokal verankert sind, fragte schließlich Martin Schaad vom Einstein Forum vor dem Hintergrund von Internet, mobile Kommunikation und ein ubiquitär verfügbares Weltwissen. Dies würde möglicherweise auch bei weitgehender Immobilität des Einzelnen dazu führen, dass dieser das Weltganze als solches zutreffend wahrnehme. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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