Landeshauptstadt: Der erste Doppelklick
Kurse für vor allem ältere PC-Anfänger bietet der Malteser Treffpunkt Freizeit
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Die Monitore stehen im Kreis angeordnet wie eine eingeschworene Gemeinschaft, die ein Geheimnis hütet. Vorsichtig rollt Karin Föhse mit dem Bürostuhl näher und tippt das kleine beige-graue Ding an, dessen Kabel irgendwo in der Mitte der surrenden Geräte verschwindet. „Ich hab überhaupt keine Ahnung“, gesteht sie zu Beginn der Unterrichtsstunde. Darum hat sie auch den Anfänger-Kurs bei Alexandra von Pappenheim belegt, der in „Die Welt des Computers“ einführen will.
Die selbstständige Unternehmerin spricht mit ihrem Kursprogramm vor allem ältere Menschen an. Und das passt wiederum gut zu den jüngsten Plänen der Malteser, die die Jugendeinrichtung Treffpunkt Freizeit in ihrer Trägerschaft zum Mehrgenerationenhaus umkonzeptionieren wollen. „Hier sind alle sehr hilfsbereit“, sagt die Kursleiterin, die den mit zwölf PCs bestückten Raum des Treffpunktes nutzen darf. „Wer sich nicht zumindest ein wenig mit Computern auskennt, ist künftig vom modernen Leben abgeschnitten“, sagt Alexandra von Pappenheim. Tatsächlich haben die fünf Lernwilligen ihres ersten Kursus wenig bis überhaupt keine PC-Kenntnisse. „Ich kann den Computer an- und ausschalten. Das war’s“, erklärt Karin von Mensenkampff. Die alte Dame gehört damit aber schon zu den Fortgeschrittenen.
Vor mehr als zwanzig Jahren wurde der erste Personal Computer entwickelt und hat seitdem Einzug in alle Bereiche des Lebens gehalten. „Dennoch gibt es viele Menschen, die noch niemals mit einem PC zu tun hatten“, sagt die Unternehmerin, ihr ist deshalb um Kurszulauf nicht bange.
Der kleine weiße Pfeil haut in die rechte Ecke des Monitors ab. Karin Föhse versucht ihn mit der Maus wieder einzufangen. Die Kreisbewegungen ihrer Hand werden größer und größer. Trotzdem bleibt der Pfeil reglos. Der Arm der Kursteilnehmerin ist inzwischen ausgestreckt, das Steuerungsgerät am langen Kabel zur Tischnachbarin rübergerutscht. „Sie können die Maus einfach hoch nehmen und wieder absetzen“, erklärt Alexandra von Pappenheim. Sie spricht der Computer-Unerfahrenen Mut zu: „Trauen Sie sich. Keine Angst.“ Zur Unterstützung legt sie ihre Hand auf die der Kursteilnehmerin und lenkt das Mausgehäuse mit.
Geduld ist die wichtigste Eigenschaft, die ein PC-Trainer gerade bei Nichtkennern mitbringen muss. Diese erworben hat sie sich als langjährige Mitarbeiterin bei der Berliner Bankgesellschaft, wo Alexandra von Pappenheim als Trainerin Software-Einführungen und auch die Umstellung auf den Euro mitbegleitete. Die 38–Jährige Wahl-Babelsbergerin hat heute ein eigenes Unternehmen für Coaching, Training und Consulting. Ihr Kurs-Angebot im Treffpunkt Freizeit werde nicht gefördert, erklärt sie die Teilnahmegebühren. Die liegen je nach Stundenumfang und Aufwand zwischen fünf und 90 Euro.
Die zahlt Karin von Mensenkampff für die professionelle Hilfe gerne. Sie werde auch noch den Aufbau-Kurs zum Erlernen von Internet-Kenntnissen belegen. Sie will künftig den Rechner vor allem als Suchmaschine für Informationen nutzen. „Googeln heißt das wohl“, lacht sie. Die Seniorin kennt sich schon aus im Fachchinesisch.
Die Motive einer solchen Kursbelegung sind verschieden. Von Mensenkampffs Tischnachbarin zum Beispiel träumt vom Briefverkehr per E-Mail. Bis allerdings der erste geschriebene Satz durch das weltweite Netz verschickt werden kann, muss sie noch einige Hürden nehmen. Sie habe nach ihren ersten schlechten Erfahrungen vor einigen Jahren eine regelrechte Computerangst aufgebaut, die sie jetzt überwinden will. Das Ehepaar, das extra aus Teltow in den Treffpunkt gekommen ist, hat bereits die „Superkiste“ zu Hause und möchte auf diesem Wege die vielen Möglichkeiten seines Computers kennenlernen. Auch dafür empfiehlt die geschäftstüchtige Trainerin ihre Aufbaukurse. Ein alter Herr in dickem Wollmantel öffnet zögerlich die Tür zum Computerkabinett. Er sei bereits 80 Jahre alt – wie er gleich zu Beginn des Gesprächs sagt – und wolle sich „nur mal erkundigen“. Er habe Probleme mit dem Textverarbeitungsprogramm Word und suche Hilfe, erklärt er Alexandra von Pappenheim, die sich ihm zugewandt hat. Seine Söhne, alle beruflich stark eingebunden, hätten dafür keine Zeit, fügt er fast entschuldigend hinzu. Er sei gerade dabei seine Memoiren zu schreiben und bräuchte dazu den Computer als Schreibgerät. Kurz entschlossen meldet er sich auf Empfehlung für einen Kurs Ende Januar an.
„Computer sind doof“, flucht der Mann am Arbeitsplatz 5. „Es bringt doch nichts, sich das Ding gleich zum Feind zu machen“, entgegnet ihm Karin von Mensenkampff. Ihr scheint es hilfreich, die Maschine als sensibles Wesen zu begreifen. Auch Karin Föhse hat mit Beharrlichkeit Erfolg und den weißen Pfeil schließlich eingefangen. Vorsichtig navigiert sie ihn über die blau leuchtende Fläche auf ein Symbol zu. Schon nach so kurzer Zeit hat sie an Geschicklichkeit gewonnen. „Jetzt zweimal klicken“, gibt die Trainerin Anweisung für die nächste Übung. Statt das Programm zu öffnen, rutscht das Quadrat mit dem W drauf wild über die Oberfläche. Der erste Doppelklick ist der schwerste, besonders für ältere PC-Benutzer. Und wie so oft hilft nur üben, üben, üben – zum Beispiel am nächsten Mittwoch im Kurs.
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