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Wieder bei Babelsberg 03 und treffsicher dazu. Süleyman Koc (links), hier im Zweikampf mit Darmstadts Michael Stegmayer, sicherte mit seinem Tor zum 2:0 endgültig die ersten drei Punkte für den SVB in der neuen Drittliga-Saison.

© Jan Kuppert

Sport: Der erste Dreier für Nulldrei

Fußball-Drittligist Babelsberg bezwang am Samstag daheim Darmstadt 98 mit 2:0. Süleymann Koc nach seinem ganz besonderen Erfolgserlebnis: Mein Tor schenke ich Markus Müller

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Wo, wenn nicht in Babelsberg, kann ein solches Drehbuch Wirklichkeit werden: Junger, hoffnungsvoller Fußballer mit Migrationshintergrund kommt durch schlechten Umgang auf die schiefe – sprich kriminelle – Bahn, sucht und erhält noch einmal eine Chance in seinem Sport und wird von den Fans seiner Mannschaft gefeiert, weil er mit seinem Tor die ersten drei Punkte der Saison endgültig sichert.

Als Süleyman Koc am Samstagnachmittag nach mustergültiger Vorarbeit Markus Müllers einnetzte und mit diesem 2:0 in der 66. Spielminute gegen den SV Darmstadt 98 den Heimsieg des Fußball- Drittligisten SV Babelsberg 03 perfekt machte, da rührte dies die meisten der 2754 Zuschauer im Karl-Liebknecht-Stadion besonders. Koc nämlich hatte schon vom Sommer 2010 bis April 2011 im Dress des SVB 03 insgesamt 26 Ligapartien bestritten, ehe er verhaftet und als Mitglied einer Bande um seinen jüngeren Bruder, die in Berlin mehrere Spielcasinos überfallen hatte, zu einer Haft von drei Jahren und neun Monaten verurteilt wurde. Dass er diese Strafe im offenen Vollzug verbüßen kann, ist das große Glück des jetzt 23-Jährigen, zumal ihm Babelsberg 03 noch einmal eine Chance einräumt und einen Einjahresvertrag gab. Schon im ersten Punktspiel der neuen Saison, das der SVB beim Chemnitzer FC mit 0:1 verlor, gefiel der Deutsch-Türke mit flinken Flankenläufen.

Und seine Schnelligkeit verhalf ihm nun zu seinem ersten Torerfolg nach Monaten in Untersuchungshaft und vor Gericht. Philipp Kreuels bediente Daniel Reiche mit einem Freistoß aus dem Mittelfeld, der neue Mannschaftskapitän passte weiter nach links zu Markus Müller, und der flankte nach seinem Sturmlauf in den Strafraum rüber nach rechts, wo Koc herangerauscht kam und den Ball über die Torlinie drückte. „Das hatten wir im Training schon oft geübt, und dabei kam mir meine Schnelligkeit zugute“, erzählte Süleyman Koc, der bei Nulldrei nur Sülo gerufen wird, später freudestrahlend. „Ein unglaubliches Gefühl. Das Tor war gut für mich, vor allem aber für die Mannschaft, ohne die ich nicht getroffen hätte. Dieses Tor schenke ich Markus Müller, weil er den Ball nicht nur blind vors Tor jagte, sondern mich mustergültig anspielte.“

Schon vor dem geschilderten Treffer waren die Nulldreier auf der Siegerstraße, denn Darmstadt erwies sich nach leichter optischer Überlegenheit in den ersten 20 Minuten als zu harmlos, um wie beim 1:1 im Vorjahr zumindest einen Punkt zu entführen. „Uns fehlten Durchschlagskraft und der nötige Zug zum Tor“, monierte später SV-98-Trainer Kosta Runjaic. „Wir haben zu Recht verloren.“ Ein Schuss Müllers ans linke Außennetz nach Kreuels- Vorarbeit in der 21. Minute wirkte wie ein Weckruf bei den Gastgebern, die fortan mutiger spielten und belohnt wurden, als nach einem Kreuels-Freistoß von halblinks aus 33 Metern Neuzugang Aaron Berzel am rechten Torpfosten hochstieg und unhaltbar zum 1:0 einköpfte (33.). „Natürlich ist so ein Tor schön. Aber wichtiger ist, dass wir die ersten drei Punkte eingefahren haben“, meinte der 20-jährige Abwehrspieler, der mehrmals mit Vorstößen auf der rechten Seite auffiel. „Es war abgesprochen, dass ich bei solchen Freistößen auf den zweiten Pfosten gehe. Es hat also alles so geklappt, wie wir es wollten. Das Tor hat es uns dann etwas leichter gemacht, und wir sind nach der Pause mit noch mehr Entschlossenheit aus der Kabine gekommen“, so Berzel.

In Halbzeit zwei kontrollierten die Nulldreier das Spiel und die zu harmlosen Gäste. Erst in der 73. Minute musste SVB-Schlussmann Frederic Löhe erstmals einen Darmstädter Schuss festhalten. Bitter für Babelsberg war in der Nachspielzeit die Rote Karte für Neuzugang Christian Essig, der – gerade nach einer Verletzung wieder fit – übereifrig gegen Benjamin Baier einstieg (90.+3). „Ich will Schiedsrichter-Leistungen nicht kritisieren, aber ich ärgere mich über diese Rote Karte“, erklärte später SVB-Trainer Christian Benbennek, der zugab: „Ich hatte in der Vergangenheit nicht immer den besten Ruf bei den Schiedsrichtern.“ Daher sei er auch mit der Babelsberger Trainerbank von der rechten auf die linke Seite des Spielertunnels umgezogen, erzählte er. „Das war ein bisschen Selbstschutz, weil ich dadurch nicht ständig den Linienrichter vor mir habe.“ Ein wenig habe dabei aber auch Aberglaube mitgespielt. „Mit der Trainerbank links hatte ich immer Erfolg – beispielsweise als ich mit der U19 des VfL Wolfsburg Deutscher Vizemeister wurde und mit Eintracht Braunschweig II in die Regionalliga aufstieg. Als wir abstiegen, hatten wir die Trainerbank rechts.“

Bei Babelsbergs erstem Saisonsieg war für Benbennek aber nichts Überirdisches im Spiel. „Wir wollten nach der unnötigen Niederlage in Chemnitz heute zu Hause zeigen, dass wir da sind, und unbedingt gewinnen. Jetzt freuen wir uns zwei Tage, ehe wir uns auf das Spiel am nächsten Samstag bei Hansa Rostock vorbereiten“, erklärte der Coach, der zum Süleyman-Koc-Treffer erklärte: „Sülo versucht jeden Tag, dem Verein für dessen Vertrauen etwas zurückzuzahlen. Daher freuen wir uns besonders, dass er das 2:0 erzielt und unseren Dreier klargemacht hat. Sülo ist zurück, kommt immer besser ins Spiel und zeigt so: Er und die Mannschaft sind auf dem richtigen Weg.“

Babelsberg: Löhe; Berzel, Hebib, Reiche, Rudolph; Evljuskin, Groß; Koc (70. Heil), Kreuels, Kragl (56. Essig); Müller (79. Hartmann)

Darmstadt: J. Zimmermann; Gaebler, Beisel, Islamoglu (57. Zielinsky), Stegmayer; Hesse, Latza, Baier, da Costa; Bilgin (67. Hübner), P. Zimmermann (57. Albayrak).

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