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Homepage: Der erste Literaturpapst Der Popularphilosoph Friedrich Nicolai

Er war der Prügelknabe der deutschen Literaturgeschichte. Verschrien als „Popularphilosoph“ und verspottet als „platter Rationalist“, und doch war Friedrich Nicolai die Schlüsselfigur der Aufklärung in Deutschland, einer der angesehensten Buchhändler Preußens und bedeutender Literaturkritiker des 18.

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Er war der Prügelknabe der deutschen Literaturgeschichte. Verschrien als „Popularphilosoph“ und verspottet als „platter Rationalist“, und doch war Friedrich Nicolai die Schlüsselfigur der Aufklärung in Deutschland, einer der angesehensten Buchhändler Preußens und bedeutender Literaturkritiker des 18. Jahrhunderts. Mit seiner rabiaten und öffentlich wirksamen Polemik und Streitfreudigkeit machte er sich zu Lebzeiten viele Feinde in der deutschen Literatur- und Philosophieszene.

Anlässlich des 200. Todestags Friedrich Nicolais veranstaltete die Universität Potsdam und das Frühneuzentrum Potsdam (FNZ) die Tagung „Friedrich Nicolai im Kontext der kritischen Kultur der Aufklärung“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Zum Auftakt der wissenschaftlichen Konferenz über den Literaturkritiker, Schriftsteller und Verleger Nicolai sprach Professor Norbert Christian Wolf über den „späten Nicolai als Literaturpapst“. Wie Wolf beschrieb, gelang es Nicolai trotz seiner Umstrittenheit zum führenden Verleger des deutschen Literaturbetriebs zu avancieren. Der Verleger der 1765 gegründeten Zeitschrift „Allgemeine Deutsche Bibliothek“ sei ein überaus starker Herausgeber gewesen, so Wolf. Nicolai habe alle in Deutschland gedruckten Bücher in seiner Zeitschrift rezensieren lassen und konnte nach vier Jahrzehnten Verlagsgeschichte auf 543 veröffentlichte Werke und 1117 veröffentlichte Bände zurückblicken.

Trotz seines Erfolgs, seien Nicolais Arbeitsweisen aber durchaus umstritten gewesen. So habe er begabte Autoren von anderen Verlagen mit Buchgeschenken abgeworben, um sie für seine Zeitschrift zu gewinnen. Insbesondere zu seinem Mitarbeiter Johann Gottfried Herder, einem einflussreichen Schriftsteller und Denker der Aufklärung, habe er ein angespanntes Verhältnis gehabt. Herder habe sich den strengen Vorgaben Nicolais nicht unterwerfen lassen wollen und sei mit ihm aufgrund seines rückwärtsgewandten Literaturverständnisses häufig aneinander geraten. Nicolai habe nicht die geringste Ahnung von der Literatur von damals gehabt, argumentierten Kritiker damals.

Nach unüberbrückbaren Differenzen verließ Herder 1774 die „Allgemeine Deutsche Bibliothek“. Nicht nur Nicolais umstrittene Arbeitsweisen provozierten, sondern vor allem sein ausgeprägter Antikatholizismus und seine harsche Literaturkritik. Besonders Goethe und Schiller waren stets im Visier Nicolais Kritik. So scheute er nicht Goethes Erfolgsroman „Die Leiden des jungen Werthers“ zu parodieren und seine eigene satirische Erzählung „Die Freuden des jungen Werthers“ zu veröffentlichen.

Nicolai selbst versuchte sich immer wieder als Schriftsteller, aber nur wenige seiner schriftstellerischen Werke fanden Anklang. Lediglich Nicolais Reiseschilderungen „Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781“ und „Beschreibung der königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam“ gelten heute als lesenswerte Reise- und Zeitzeugenberichte der damaligen geographischen, politischen und kulturellen Position Deutschlands.

Friedrich Nicolai war ein Provokateur, ein philosophischer Querkopf, aber eine wichtige Figur der deutschen Aufklärung. Und auch wenn er die Aufklärung nicht gefördert habe, so das Urteil von Wolf, gehöre er zur Avantgarde der damaligen Literatur. Josefine Schummeck

Josefine Schummeck

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