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Landeshauptstadt: Der Fährmann und die moderne Kunst
Kunstwerke der „Aquamediale“ im Spreewald sind nur per Kahn erreichbar
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Lübben - Der Job von Martin Matthei besteht normalerweise darin, mit Geschick seinen Spreewaldkahn mit einem Rudel durch die engen Fließe des Spreewaldes zu steuern. „Ebenso wichtig ist es aber, ein paar lockere Sprüche und auch mal ''nen frechen Witz für die Kundschaft parat zu haben“, sagt Matthei, der seit 18 Jahren Touristen durch den Unterspreewald fährt. Wenn die Wasserkunstausstellung „Aquamediale“ in Lübben stattfindet, hat Matthei allerdings auch noch den Posten eines Kunstführers inne. Denn die elf Kunstwerke zum Thema „Wasserlandschaften“ entlang der Fließe in Lübben sind ausschließlich mit dem Kahn erreichbar.
Knapp eine Stunde dauert die Rundfahrt, gleich zu Beginn führt Matthei die Besucher an dem Werk „Boatpeople“ vorbei. Hinter Schilf verdeckt blicken Terrakotta-Menschen verschiedener Rassen aus einem Spreewaldkahn. „Wasser ist Lebenselixier und Hoffnung. Für viele Menschen, die auf abenteuerliche Weise nach Europa gelangen, bedeutet es aber auch unüberwindbare Hürden und Tod“, erklärt Matthei das Anliegen der österreichischen Künstlerin Margret Kohler-Heilingsetzer. Mit ähnlich mahnender Intention hat sich die Italienerin Anna Maria Massa mit der Installation „Drop by Drop“ dem Thema Wasser angenommen. Mehrere Dutzend Wasserbeutel hängen wie überdimensionale Tropfen unter einer hochgewachsenen Erle. „Die Welt leidet unter Wassermangel, und jeder Tropfen ist wertvoll“, sagt Matthei.
Unmittelbar danach ist das Werk des Polen Leszek Krutulski zu sehen. Unter Pappeln wiegen sich auf einer Wäscheleine aufgereiht zehn Leinenlaken im Wind. Auf ihnen aufgedruckt sind alte Fotografien, die Krutulski auf Dachböden in seinem Heimatdorf gefunden hat. Die Bilder spiegeln sich passend zum Titel „Erinnerung“ nun im Wasser der Spree. Rein autobiografisch inspiriert ist hingegen das Werk des Berliners Gregor Krampitz, der wie einst in seiner Jugend in Ostberlin weiße Papierschiffe in Lübben zu Wasser gelassen hat.
Seit 2004 findet die „Aquamediale“ als Teil des Brandenburgischen Kultursommers in dem Spreewaldstädtchen Lübben statt. Zur sechsten Auflage widmen sich die elf Künstler dem Thema Wasser vor allem in kritischer Weise. „Wasser ist das zentrale Thema des 21. Jahrhunderts. Über eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, knapp die Hälfte der Menschheit leidet unter Wassermangel“, sagt Kurator Herbert Schirmer. Deshalb verlangte er den Künstlern bei der Auswahl der Werke auch eine mahnende Zeigefingergeste ab. „Wir haben erwartet, dass die Künstler der Aquamediale auf die aktuellen Probleme reagieren“, sagt Schirmer. Noch bis zum 5. September sind die Werke an den Fließen der Spree noch zu sehen. Die Gefahr, dabei allzu große Schwermut bei ihren Betrachtern auszulösen, wollen die Fährmänner bannen. „Wenn jemand die Kunst nicht mag, erzähl ich eben einen frechen Witz oder eine Anekdote aus dem Spreewald“, sagt Kunsttourfahrer Matthei. Michael Klug
aquamediale.de
Michael Klug
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