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Von Peer Straube: Der falsche Totentanz

Eine Potsdamer Agentur fürchtet um ihren Ruf. Sie verkaufte die angeblich letzten Fotos von Michael Jackson

Von Peer Straube

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Es schien der große Coup zu sein. Drei Fotos von Michael Jackson, aufgenommen am Mittwoch vergangener Woche. Nur wenige Stunden vor seinem Tod. Der „King of Pop“ tanzt auf einem Tisch zwischen Gläsern, er wirkt vital, fröhlich. Wer hätte da nicht zugegriffen? Die Potsdamer Presseagentur Reflex hat es getan und nun ein Problem. Am Montag um 12.20 Uhr platzte die Bombe. Die Fotos sind sechs Jahre alt.

Für Reflex-Chefredakteur Michael Symanowski ist das schlichtweg eine „Katastrophe, ein Super-GAU“. Seit 1999 sitzt die Agentur in Potsdam, „weil wir die Stadt lieben“. Sie handelt mit ausländischen Pressefotos und Reportagen, verkauft sie auf dem deutschsprachigen Markt. Promi-Bilder, Aufnahmen von der Oscar-Verleihung – das Repertoire ist vor allem bunt. Die Agentur hat sich in der Branche einen guten Ruf erarbeitet, sie gilt als seriös. Glamour-Blätter wie „Gala“, „Bunte“ kaufen bei Reflex, aber auch „Die Welt“, manchmal sogar der „Spiegel“. „Jeden Tag sind unsere Bilder in den Zeitungen oder im Fernsehen“, sagt Symanowski. „Wir hatten die ersten gemeinsamen Fotos von Steffi Graf und André Agassi, als ihre Beziehung nicht mehr als ein Gerücht war.“

Symanowski kann es immer noch nicht fassen. Alles schien echt. Einer seiner längsten und zuverlässigsten Partner, die amerikanische Agentur des Briten Alec Byrne, hatte die drei Fotos in der Nacht zum Freitag an Reflex geschickt. „Weltexklusiv“ habe als Vermerk daneben gestanden, sagt Symanowski. Byrne, selbst seit 35 Jahren im Geschäft, hatte keinen Grund, an der Authentizität des Materials zu zweifeln. Ein deutscher Fotograf, der sich zu „Jacksons Dunstkreis“ zählte, habe sie Byrne angeboten, erzählt Symanowski. Und zwar bereits einen Tag vor Jacksons Tod. Ein weiteres Indiz für die vermeintliche Echtheit. Die „Megadaten“, die genaue Auskunft über Ort und Zeitpunkt der Aufnahmen liefern, wollte der deutsche Fotograf nachliefern. Was aber nie passierte. Stattdessen rollte nach dem Tod des Superstars die Maschinerie. Die englische „Sun“, die ohnehin eine Story über die bevorstehende Jacko-Tournee bringen wollte und die Bilder bereits gekauft hatte, titelte am Freitagmorgen um: „Michael Jackson’s Last Dance“. Die Potsdamer Agentur reagierte. Die üblichen Echtheitschecks fanden statt: der Vergleich mit den letzten bekannten Bildern des Stars etwa, und die Prüfung im Internet, ob die Bilder schon vorher irgendwo publiziert wurden. Auch hier schien alles okay. „Selbst die Haarlänge stimmte“, sagt Symanowski. Also schickte er eine Angebots-E-Mail an die Kunden. Am Wochenende rollte die Welle an. Die „Frankfurter Rundschau“ druckte ein Foto als ganzseitigen Titel, „Die Welt“, „Bild“, die Fernsehsender RTL und Vox brachten sie, 80 bis 85 Medien insgesamt, schätzt Symanowski.

Am Montag erhielt er einen Anruf eines Kollegen. In der Fotodatenbank einer Hamburger Agentur war ein Foto aufgetaucht, das nie zuvor veröffentlicht worden war. Es glich den angeblich exklusiven fast aufs Haar. Gleiche Lederjacke, gleiches Szenario, aufgenommen allerdings 2003. Der Traum war vorbei. Sofort schickte Symanowski eine Nachricht an alle Kunden. Der Deal sei „getürkt“ gewesen, der Agentur tue es „sehr leid“.

Symanowski bangt nun um den Ruf von Reflex. „Für uns ist das ein riesiger Schaden“, ärgert er sich. „Wir sind das Opfer von Spitzbuben geworden.“ Für Byrne gilt das wohl auch. „Der checkt jede Quelle doppelt und dreifach, ich lege für ihn meine Hand ins Feuer.“

Die ersten Signale der seriösen Kunden sind weniger schlimm als erwartet. „Sie glauben uns.“ Ärger könnte es dennoch geben. Mit einer Zeitung habe man bereits ein „juristisches Problem“, sagt Symanowski. Auch Reflex hat nun Anwälte eingeschaltet. Konsequenzen für die Arbeit haben die Jackson-Bilder auf jeden Fall. „Wir werden jede Quelle noch genauer prüfen.“ Beim „geringsten Zweifel“ werde er „eher auf ein Geschäft verzichten“, kündigt Symanowski an.

„Jacko“, sagt er, „wird als Mahnung bei uns immer an der Wand hängen.“

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