Potsdams Bibliothek: Der große Umzug naht
Anfang September soll in Potsdam das Bildungsforum eröffnen – zuvor wird die Bibliothek zwei Monate schließen. Ein Besuch auf der Baustelle im Herzen Potsdams.
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Innenstadt - Rund um das rechteckige Gebäude der Stadt- und Landesbibliothek an der Straße Am Kanal sieht es noch wenig ansehnlich aus. Staub und Bauschutt färben den Schnee grau und beige, Dämmmaterial und leere Paletten stapeln sich. Doch im Inneren lässt sich das künftige Aussehen des 70er-Jahre-Gebäudes, das inzwischen den offiziellen Namen Bildungsforum trägt, bereits erahnen. Der hellgraue Gummiboden ist verlegt, die Wände sind weiß gestrichen und die Raumaufteilung steht. Vor allem eines fehlt aber noch: die Bücher, in denen sonst pro Jahr rund 300 000 Leser schmökern.
Per Bücherwagen müssen diese vom derzeitigen Ausweichquartier in der benachbarten Fachhochschule Potsdam in das neue Gebäude gebracht werden, wie Bibliotheksdirektorin Marion Mattekat erklärt. Der reine Transport, den eine Umzugsfirma übernehmen wird, nimmt zwei oder drei Wochen in Anspruch. Doch insgesamt dauert der Unzug deutlich länger, vermutlich etwa zwei Monate wird die Bibliothek schließen müssen. „Der logistische Aufwand ist enorm. Neben dem Umzug des kompletten Bestands müssen wir auch die gesamte EDV- und Selbstverbuchungstechnik vor der Eröffnung installieren und testen“, sagt Mattekat. Mit dem Lagerbestand im Magazin kann schon vor der offiziellen Eröffnung am 7. September begonnen werden, aber die Freihandbibliothek mit rund 180 000 Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Ton- und Bildträgern kann bei laufendem Betrieb nicht umziehen. Ein genauer Schließungstermin steht noch nicht fest, aber die Direktorin verspricht: „Wir setzen alles daran, die Schließzeit so gering wie möglich zu halten.“
Die Bibliothekschefin und knapp 30 Mitarbeiter haben das neue Gebäude bereits Ende vergangenen Jahres bezogen. Sie haben ihre Büros im dritten Stock, der bereits weitgehend fertig ist. Neben der Verwaltung wird dort auch das Archiv untergebracht, die modernen Rollregale stehen schon in langen Reihen bereit.
Dass die Verwaltung schon umgezogen ist, obwohl die Bauarbeiten noch laufen, ist nicht ideal, räumt Karl Maschmeier, Bereichsleiter beim Kommunalen Immobilien Service (KIS), der Bauherr des Gebäudes ist, ein. Die Mitarbeiter litten unter Schmutz und Lärm, sowohl für sie als auch für die Handwerker sei die Situation nicht ideal. Dennoch sei dies die wirtschaftlichste Lösung gewesen, betont er.
Apropos Wirtschaftlichkeit – Maschmeier ist zuversichtlich, dass die mittlerweile auf 15 Millionen Euro angestiegenen Kosten für den Umbau sich nicht weiter erhöhen werden. „Es läuft alles nach Plan“, sagt er, auch zeitlich. Wie berichtet hatte sich die Eröffnung des Bildungsforums, die ursprünglich bereits zum Jahresbeginn stattfinden sollte, immer weiter verzögert. Hauptursache war die lange Hängepartie um den Abriss des sogenannten Verbinders zur Fachhochschule. Stadt und Land hatten Monate darum gerungen, wer die Kosten für den Abbruch trägt. Die Probleme sind nun geklärt, der Verbinder wird derzeit bis auf das Skelett abgerissen. Dieses muss aus statischen Gründen bis zum Abbruch der kompletten FH stehen bleiben. Wenn endlich der Frühling komme, könne auch mit der Wärmedämmung begonnen werden, sagt Maschmeier. „Dann brauchen wir nur noch drei Wochen für die Außenarbeiten.“ Derzeit ist ein Teil der Fassade an der Westseite noch unverputzt.
Am 1. Juni soll das Gebäude dann offiziell an die Bibliothek und die Volkshochschule übergeben werden. In das Erdgeschoss ziehen die Bereiche Belletristik, Musik, CDs, DVDs sowie die Kinder- und Jugendbibliothek. Sowohl von der verglasten Fassade als auch durch das Glasdach über dem Atrium kommt viel Licht in den großen Raum, der durch eine imposante Wendeltreppe dominiert wird. Von einer Seite ragt ein gemauertes Halbrund in den Raum, darin soll es Veranstaltungen aller Art geben. In den ersten Stock kommt die Sachliteratur sowie eine Lernwerkstatt, in die zweite Etage die Seminarräume der Volkshochschule und in den dritten Stock wie erwähnt Verwaltung und Magazin.
Noch nicht zum 1. Juni abgeschlossen sein wird hingegen der Ausbau der vierten Etage, die künftig als Schaufenster der Potsdamer Wissenschaften durch die Universität Potsdam und den Verein Pro Wissen genutzt wird. Weil der Mietvertrag erst später unterschrieben wurde, dauern die Bauarbeiten dort etwa drei Monate länger.
Dass die Besucher dann beim Lesen und Stöbern von Hammer- und Bohrgeräuschen gestört werden, glaubt Direktorin Mattekat aber nicht. Schon jetzt halte sich die Lärmbelastung in Grenzen. „Man hört nur ab und zu was“, sagt sie. Da die Arbeiten dann in der vierten Etage, also mindestens zwei Stockwerke über den Lesebereichen, stattfinden, werde kaum etwas zu hören sein. Trotzdem ist die Bibliotheksleiterin erleichtert, wenn der Umbau angeschlossen und der Umzug geschafft ist. „Wir freuen uns, wenn die Besucher kommen und die Bibliothek in Beschlag nehmen“, sagt sie.
CHRONIK Von der Volksbücherei zum Bildungsforum
Die Geschichte der Stadt- und Landesbibliothek reicht bis in das Jahr 1874 zurück, als ein Verein die Volksbücherei Potsdam gründete. Ab den 1920er- Jahren war diese im Palast Barberini am Alten Markt untergebracht, bis das prächtige Gebäude bei der Bombardierung Potsdams in der Nacht des 14. April 1945 zerstört wurde. 1954 erfolgte die Gründung der Stadt- und Bezirksbibliothek Potsdam, die 1969 mit der Brandenburgischen Landes- und Hochschulbibliothek fusioniert wurde. Am 7. Oktober desselben Jahres – dem 25. Jahrestag der DDR – wurde der Neubau für die „Wissenschaftliche Allgemeinbibliothek“ an ihrem heutigen Standort eröffnet. Nach der Wende wurde das Bibliothekskonzept überarbeitet und der Bestand erneuert. Die Landeshauptstadt und die Landesregierung schlossen eine Vereinbarung, wonach das Haus sowohl für das Land als auch für die Stadt zuständig ist. Die Einrichtung wird daher auch von beiden Parteien finanziert. Nach langem Ringen begannen im September 2010 die Umbaumaßnahmen und die Bibliothek bezog ihr Ausweichquartier in der Fachhochschule Potsdam. Während des Umzugs war der Betrieb sechs Wochen lang eingestellt. 2011 wurde beschlossen, dass das Gebäude, in dem Bibliothek und Volkshochschule zusammengefasst sein werden, Bildungsforum heißen soll. Die Wiedereröffnung ist für den 7. September geplant. In der vierten Etage sollen sich Potsdamer und Brandenburger Wissenschaftseinrichtungen präsentieren. wik
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