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Von Erhart Hohenstein: Der König rief und nicht alle kamen

Mit Schanzwerken und durch Flutungen sollte Potsdam 1813 gegen Napoleon verteidigt werden

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„Der König rief und alle, alle kamen!“ So feierte der Dichter Heinrich Cauren im Jahr 1813 den Beginn der Befreiungskriege gegen Napoleon. Doch der zum geflügelten Wort gewordene Liedanfang stimmt so nicht, legte der Geologe und Festungsforscher Hans-Jürgen Paech in einem Vortrag der Studiengemeinschaft Sanssouci dar. Dafür liefere Potsdam ein Beispiel: Auch hier waren schon im Februar zahlreiche Freiwillige in den Kampf gezogen. Als aber im Frühjahr 1813 zusätzlich zu den regulären Truppen die Landwehr aufgestellt wurde, regte sich Widerstand.

Die Residenzstadt sollte dafür 350 Infanteristen und 48 Kavalleristen stellen. Es meldeten sich aber nur 73 Freiwillige. Der große Rest wurde durch Auslosung unter den 3000 gemusterten Männern bestimmt, was Einsprüche und Anträge auf Freistellung „wegen Unabkömmlichkeit“ auslöste. Zur am 19. April angesetzten Vereidigung blieb die Garnisonkirche so gut wie leer. Der Akt wurde für den 21. April neu angesetzt und erfasste schließlich 327 Männer. Zuvor war den Verweigerern der Entzug der Bürgerrechte und des Gewerbescheins angedroht worden. Der Unwillen verstärkte sich, als ab 16. Mai 1813 täglich über 1000 Zivilisten zum Bau von einem Dutzend Schanzen, vornehmlich auf dem Brauhausberg und in seiner Umgebung, verpflichtet wurden. In ihrem Schutz sollten sich zurückflutende Soldaten sammeln, andererseits zum Angriff antreten. Wie lustlos manche Potsdamer die körperlich schweren Arbeiten angingen, zeigte sich in Klagen des Militärs über die sich bis Ende Juni schleppende Fertigstellung und über Qualitätsmängel.

Mehr Schwung in die Arbeiten brachte offensichtlich General Friedrich Wilhelm von Bülow, der auf die heranrückenden Truppen des französischen Marschalls Charles Nicolas Oudinot und damit auf die Gefahr einer nach 1809 zweiten Besetzung Potsdams hinwies. Am 17. August 1813 konnten die Schanzen erstmals zur Verteidigung besetzt werden. Reste von ihnen sind laut Paech bis heute erhalten: Die größte, 100 Meter lange und vier Meter hohe Schanze lag auf dem Telegrafenberg. Sie war durch Verhaue aus Stämmen und Gestrüpp mit anderen Schanzen verbunden, so der Sternschanze auf dem heutigen Gelände der gleichnamigen Kleingartenanlage.

Als Potsdam 1813 erneut der Einfall der napoleonischen Truppen drohte, war neben anderen Vorkehrungen der Anstau und die dadurch mögliche Flutung des Flüsschens Nuthe und außerhalb der Stadtgrenzen der Notte von besonderer Bedeutung. Wie Paech erläuterte, waren die Überflutungen, die Wiesen und Ackerflächen unbrauchbar machten und erheblichen Frust in der Bevölkerung hervorriefen, keinesfalls sinnlos. Marschall Oudinot habe nach Erkundung der Verteidigungsanlagen auf einen direkten Vormarsch nach Potsdam verzichtet. Beim Überrennen der Nuthe-Notte-Linie seien seine Truppen am Nuthehauptgraben in verlustreiche Kämpfe verwickelt und aufgehalten worden. Dies war eine Voraussetzung dafür, dass die Franzosen am 23. August 1813 im Gefecht bei Großbeeren von Bülow geschlagen wurden und ihren Vorstoß auf Berlin abbrechen mussten. Auch Potsdam blieb so vor einer französischen Besetzung verschont. Das wussten die Bürger zu würdigen. Sie pflegten die Verwundeten der Schlacht in den Lazaretten und zum Teil auch in ihren Familien. Zuvor hatten sie innerhalb weniger Stunden 8000 Taler gesammelt, um den Soldaten Nahrung und Erfrischungen auf das Schlachtfeld zu bringen.

Erhart Hohenstein

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