Aus dem GERICHTSSAAL: „Der Kühlschrank war leer !“ Kreditkartenbetrug in Notsituation
Lange versuchte Dennis D.* (22), sich vor seiner Verhandlung wegen Kreditkartenbetrugs zu drücken.
Stand:
Lange versuchte Dennis D.* (22), sich vor seiner Verhandlung wegen Kreditkartenbetrugs zu drücken. Fünf Termine setzte das Amtsgericht in der Vergangenheit an. Es erließ sogar Haftbefehle. Dennis D. versprach stets hoch und heilig, er werde beim nächsten Mal erscheinen. So wurden die Haftbefehle aufgehoben. Doch wieder blieb die Anklagebank leer. Schließlich verstand Jugendrichterin Rita Franke keinen Spaß mehr. Am 6. Januar wurde Dennis D. erneut festgenommen – und saß bis zum Prozessauftakt in der Zelle.
Der wegen Ladendiebstahls und Körperverletzung Vorbelastete soll zwischen dem 5. und 10. Mai vorigen Jahres sechsmal mit seiner EC-Karte bei Edeka Lebensmittel erworben haben, obwohl er wusste, dass sein Konto nicht gedeckt war. Mal betrug der Wert seiner Einkäufe nur drei Euro, dann wieder rund das Zehnfache. Insgesamt prellte Dennis D. den Lebensmittelmarkt um gut 100 Euro. Die Staatsanwaltschaft betonte das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung.
„Ich hatte Sozialhilfe beantragt, aber das zog sich hin, weil noch jede Menge Unterlagen fehlten. Meine Freundin war schwanger und der Kühlschrank leer“, umriss der Potsdamer seine damalige Situation. Auf materielle Unterstützung seiner Eltern habe er nicht hoffen können. „Ich hatte ständig Zoff mit denen. Deshalb bin ich von Zuhause ausgezogen“, so Dennis D.
Alleine bekam er sein Leben aber auch nicht in den Griff. Nach dem Abschluss der 10. Klasse hatte der junge Mann keinen „Bock“ auf eine Lehrausbildung. Ein berufsvorbereitendes Jahr mit der Spezialisierungsrichtung Tischler brach er ab. „Das stand mir nicht“, erklärte er vor Gericht lässig. „Was haben Sie dann gemacht?“, fragte Richterin Franke streng. Dennis D. beteuerte ernsthaft, er habe jede Menge Bewerbungen geschrieben, allerdings wegen seiner schlechten Zeugnisse nur Absagen erhalten. „Ich würde gerne als Stukkateur, Dachdecker oder Elektroinstallateur arbeiten.“ Am 3. Januar habe er ein sechsmonatiges Praktikum bei einem Dachdecker begonnen. Dies sei leider durch die Inhaftierung unterbrochen worden.
Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe zeichnete ein düsteres Bild von der Vergangenheit des Angeklagten. „Die Mutter war alkoholkrank. Sie beteiligte sich kaum noch am Alltagsleben. Der Vater hatte Mühe, die Familie finanziell über Wasser zu halten.“ In der Schule seien sowohl Dennis als auch seine beiden Geschwister negativ aufgefallen. Das Jugendamt habe die Kinder als emotional und physisch vernachlässigt eingestuft und dem Vater damals Hilfe zur Erziehung angeboten. Dennis, der die EC-Kartenbetrügereien aus einer finanziellen Notsituation heraus begangen habe, solle nach Jugendstrafrecht verwarnt werden. Das Gericht stimmte dem zu, erlegte dem Angeklagten allerdings noch 20 Sozialstunden auf, die er binnen zwei Monaten abzuleisten hat. „Das schaffen Sie locker, auch wenn es mit Ihrem Praktikum weitergeht“, befand die Vorsitzende. (*Name geändert.) Hoga
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: