PNN-Serie zu Flüchtlingshelfern in Potsdam: Der lange Marsch
„Es gibt ein helles Deutschland, das sich leuchtend darstellt“, sagt Bundespräsident Joachim Gauck über die Helfer, die sich in diesen Tagen für Flüchtlinge einsetzen. Auch in Potsdam geben viele Freiwillige ihr Bestes. Wir stellen jede Woche ein Beispiel vor, aufgezeichnet von Katharina Wiechers. Heute: Thomas Hirschhäuser.
Stand:
Ich bin gebürtiger Hesse und lebe seit zehn Jahren in Potsdam. Als Mitglied der Friedenskirchengemeinde wurde ich im Spätsommer vergangenen Jahres gebeten, bei der Taufe eines iranischen Paares mitzuwirken. Samira und Christian – das ist der Name, den der junge Mann bei der Taufe angenommen hat – hatten sich bereits in ihrer Heimat mit dem Christentum verbunden gefühlt. Weil sie in einem Land lebten, dessen Führung die Religionsfreiheit verweigert, haben sie sich im Sommer vergangenen Jahres zur Flucht nach Deutschland entschieden. Nach ihrer Ankunft in Potsdam und mehrwöchiger Vorbereitung waren sie entschlossen, zum christlichen Glauben zu konvertieren. Nach der Taufe habe ich den beiden angeboten, sie weiterhin in ihrem „neuen Leben“ in Potsdam zu unterstützen – sozusagen als Taufpate fühlte ich mich dazu verpflichtet. Seitdem begleite ich sie auf verschiedenen Wegen, bei Behördengängen und Arztbesuchen, berate sie und organisiere mit ihnen gemeinsam Alltägliches. Ein- bis zweimal die Woche treffen wir uns in der Stadt- und Landesbibliothek und ich helfe ihnen beim Erlernen der deutschen Sprache. Anfangs hatte ich ein wenig Scheu, die beiden auch zu uns nach Hause einzuladen, wir leben ja ein ganz anderes Leben. Aber vor drei Wochen waren sie bei uns und entgegen aller Befangenheit war es ein sehr schöner Abend.
Jetzt haben die beiden uns eingeladen, in ihre Einzimmerwohnung im Staudenhof – das hat mich sehr gerührt. Natürlich werden wir hingehen. Die Motivation, mich für Flüchtlinge zu engagieren, rührt wahrscheinlich zum einen aus meiner Erziehung. Zum anderen war für mich in den 41 Berufsjahren bei der Bundeswehr, zuletzt als Oberstleutnant beim Einsatzführungskommando in Potsdam, der Artikel eins des Grundgesetzes Maxime meiner militärischen Auftragserfüllung: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Dies hat mich geleitet in Stabs- wie auch in Führungsverwendungen, im Alltag wie auch in den Einsatzgebieten der Bundeswehr, auf dem Balkan, am Horn von Afrika und in Afghanistan. Dort habe ich gesehen, was Leid und Elend, Hass und kriegerische Auseinandersetzungen bedeuten. Was jetzt in Deutschland passiert – zum Beispiel vergangenes Wochenende in Sachsen –, macht mir Sorge. Es gibt für mich also mehrere Gründe, mich zu engagieren. Und als Pensionär habe ich ja genug Zeit dafür. Der nächste Schritt wird sein, für Christian und Samira eine Wohnung und einen Job zu finden. Das wird sehr schwer werden, das ist mir bewusst. Aber ich habe schon immer gesagt: Der längste Marsch beginnt mit einem ersten Schritt.
Thomas Hirschhäuser, 62, war „Taufpate“ für zwei Iraner und begleitet sie in ihrem neuen Leben.
Sind Sie auch in der Flüchtlingshilfe aktiv oder kennen Sie jemanden, den wir hier vorstellen sollten? Schicken Sie uns eine E-Mail an potsdam@pnn.de.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: