Landeshauptstadt: Der Mann mit dem Musterkoffer
Hans Wall beim Talk im Kulturladen Fahrland / Plädoyer für das Primat der Ideen
Stand:
Carla Villwock hört im Autoradio ein Gespräch mit Hans Wall. Dieser erzählt mit lebendigen Worten, wie aus ihm, einem „Taugenichts“, einer der erfolgreichsten deutschen Unternehmer wurde. „Diesen Mann muss ich in unseren Kulturladen kriegen“, sagte sich Villwock vom Bürgerverein Fahrland und Umgebung begeistert. Zahlreiche Prominente hat sie im Zusammenwirken mit dem Kulturbund schon nach Fahrland geholt, zuerst in die Mühlenbaude und jetzt in den ehemaligen Spar-Laden in der Ketziner Straße 44. Am Montag kam Hans Wall.
Der Stadtmöblierer und Gründer der Wall AG stärkte sich vor seinem Auftritt zunächst am „Tresen“ bei Schmalzstullen mit Gurke, ehe er seinen Musterkoffer öffnete. Tatsächlich ließ er einen kleinen Aluminiumkoffer aus dem Auto holen. Inhalt: das Stadtmöbelprogramm der Wall-Firma im Miniaturformat. Hans Wall lacht vor Vergnügen wie ein kleiner Junge, als er die Miniatur-City-Toilette aus dem Köfferchen („Der kostet mindestens tausend Euro“) holt. Mit diesem Schaustück habe er schon die Amerikaner verblüfft. Seine Firma möblierte die Stadt Boston. Dort fanden das die alt eingesessenen Leute sehr gut, weil die neuen City-Möbel „uns so sehr an das alte Boston erinnern“. Dabei ist das, was Wall „erfunden“ hat, vollkommen modern: Design, Produktion und vor allem die Vermarktung und Refinanzierung.
Fast mit nichts habe er angefangen, berichtet Wall, denn „nicht Geld ist entscheidend, sondern die Idee.“ Und diese kam ihm vor mehr als 35 Jahren an einer Straßenbahnhaltestelle in Karlsruhe. „Ich war ein Träumer“, sagt er über seine damalige Befindlichkeit. Und: „Als junger Mann, der verliebt ist, dachte ich nicht ans Geld.“ Aber immerhin rechnete er an der Haltestelle in Karlsruhe schon damals aus, wie groß die Werbeeinnahmen sein könnten, wenn er all die mehr oder weniger verkommenden Wartehäuschen kultivieren und vermarkten würde. Er kam auf die gigantische Summe von 36 Millionen D-Mark. Und nach fünf Jahren bereits hatte er das erträumte Ziel erreicht: 1002 Wartehallen gehörten zu seinem neu gegründeten Imperium, kostenlos an die Kommunen „nach Bausystem“ geliefert und aufgestellt. Reich sei er trotzdem nicht gewesen, sagt er, stand sogar zeitweise am Rande der Insolvenz.
Die Geschichte des Hans Wall, der dieses Jahr 65 Jahre alt ist und pünktlich zum Eintritt ins Rentenalter vom Vorstandsvorsitzenden zum Aufsichtsrat wechselte, ist der Weg eines Maschinenschlossers zum Millionär. Aber die Millionen befinden sich nach seiner Aussage nicht auf seinem Privatkonto, sondern werden immer und immer wieder ins Unternehmen gesteckt: für den Aufbau von Anlagen, für die Vergütung der Mitarbeiter, für neue Erfindungen wie das Patent der Litfaßsäulen mit 40-Watt-Spar-Beleuchtung oder des schwenkbaren Toilettenbeckens für Rollstuhlfahrer und vieles andere mehr, was Wall in seinem Musterköfferchen mitführt.
Die schönste Idee nutzt nichts, wenn sie nicht in die Zeit passt. Offenbar waren die öffentlichen Toiletten Berlins in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts reif für eine Erneuerung und für die automatische Spülung. Beides brachte das Wall-Unternehmen in die Hauptstadt und sparte dem Senat damit 30 Millionen Mark, die dieser jährlich für die Unterhaltung der alten Anlagen ausgab. Der Wall-Geschäftssitz befindet sich heute in der Berliner Friedrichstraße. Auch nach Potsdam brachte die Wall AG mit ihren feinen Automatik-Klos ein Stück Kultur
Hans Wall sprüht über vor Begeisterung für sein Unternehmertum. Ein kleiner Anstoß genügt und die Erzählfreude des unverkennbaren Schwaben ist nicht mehr zu stoppen – ein Patriarch der Worte und des Unternehmens. Vorstandsvorsitzender der Wall AG ist seit Anfang des Jahres sein Sohn Daniel. Zum wiederholten Mal sagt Vater Hans: „Mein Sohn ist wie ich“ und das Glücksempfinden darüber ist ihm am Augenblitzen abzulesen. Günter Schenke
Günter Schenke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: