Landeshauptstadt: Der Menschlichkeit verpflichtet
Potsdamer Freimaurerloge „Teutonia zur Weisheit“ hat eine fast 200-jährige Tradition
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Potsdamer Freimaurerloge „Teutonia zur Weisheit“ hat eine fast 200-jährige Tradition Die 1991 wiederbegründete Potsdamer Freimaurerloge „Teutonia zur Weisheit“ will stärker in die Öffentlichkeit gehen. Auftakt dazu bildete kürzlich ein Vortrag von Michel Worseck, dem bekannten Potsdamer Tierarzt, über die Zwangsauflösung in den Jahren 1934/35. Die Reihe soll nach der Sommerpause fortgesetzt werden. Außerdem erhalten Interessenten die Möglichkeit, ab September an jedem zweiten Donnerstag im Monat am freimaurerischen Stammtisch teilzunehmen. Veranstaltungsort ist das rückübertragene Logenhaus in der Kurfürstenstraße 52. Zuvor steht nach dem Tode von Hans Rozinat die Wahl eines neuen „Meisters vom Stuhl“ (Vorsitzender) an. „Gründungsvater“ der Loge war nach der deutschen Wiedervereinigung der (West-)Berliner Architekt Oswald Kammann. Der heute 77-jährige Ehrennationalgroßmeister der Großloge „Zu den drei Weltkugeln“ steht den Potsdamer Freimaurern jetzt als Pate und Berater zur Verfügung. Wenn die Loge bisher auch nur knapp 20 Mitglieder hat, ist ihre Wirksamkeit nicht zu unterschätzen. Kammann war führend daran beteiligt, dass den Freimaurern in den neuen Bundesländern 64 Grundstücke rückübertragen bzw. dafür Entschädigungszahlungen geleistet wurden. Diese Werte wurden an eine Stiftung übertragen. Zwar ist sie zunächst mit der Sanierung und Restaurierung der Gebäude hoch belastet. Allein für das Potsdamer Logenhaus mussten zwei Millionen Euro aufgewendet werden. Dennoch wurde in der Aktion „Freimaurer helfen“ bereits 500 000 Euro für wohltätige Organisationen gespendet. Diese Wohltätigkeit ergibt sich aus der Verpflichtung der Freimaurer zu Humanität und Toleranz. Sie streben in diesem Sinne nach Selbstvervollkommnung und legen in der Gemeinschaft alle Titel nieder. Sie achten die Familie, ihren Beruf und üben Staatstreue, allerdings nicht unkritisch. An ein Leben nach dem Tode glauben Freimaurer nicht, tolerieren aber alle Religionen. Politische und religiöse Streitgespräche sind in den Zusammenkünften verboten. Ihre Rituale, die für Außenstehende schwer durchschaubar sind, haben sie in den Ruf eines „Geheimbundes“ gebracht. Diesem Vorurteil entgegenzuwirken und die Vereinstätigkeit transparent zu machen, sei ein Ziel der begonnenen Vortragsreihe, erklärt dazu Logenbruder Kurt Hecht. Die Freimaurerei hat in Potsdam einen ihrer ältesten und prominentesten Standorte. Kronprinz Friedrich (der spätere König Friedrich II.) war bereits 1738 in die Hamburger Loge, die erste auf dem europäischen Kontinent, aufgenommen worden. 1740 wurde auf sein Geheiß die Berliner Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ gegründet und als deren Tochter in Potsdam am 30. November 1809 die „Teutonia zur Weisheit“. Sie erreichte in den 1920er Jahren eine Mitgliederzahl von mehr als 300 Brüdern. Dazu zählte eine Vielzahl von Persönlichkeiten wie Oberbürgermeister Voßberg, der Maler Kaiser-Eichberg, Gartendirektor Potente, Verlagsbuchhändler Bonneß, der Industrielle Kampffmeyer und Hofmaurermeister Hasenheyer. Ihre Heimstatt war das 1881 durch den Kronprinzen und späteren Kaiser Friedrich III. eingeweihte Logenhaus in der Kurfürstenstraße. Mit großem Tempel, darüber liegenden kleinem Saal, Bibliothek mit 2285 Bänden, „attischer Halle“, Gesellschaftszimmer, Billardraum, Lesezimmer, Gartenhaus und Weinkeller gehörte es zu den schönsten in Deutschland. Dazu trug auch die Ausstattung mit Gemälden, Skulpturen und hochwertigem Mobiliar bei. Mit der Machtergreifung durch die Nazis endete diese Herrlichkeit. Wer die Ankündigung Hitlers in „Mein Kampf“, die Freimaurerei zu zerschlagen, als Propagandagetöse abgetan hatte, sah sich bitter getäuscht. Wegen ihres Bekenntnisses zur Toleranz wurden Freimaurer als „Judenfreunde“ geschmäht, verhöhnt und einige sogar durch die Straßen gehetzt. Ihre Kultgegenstände wurden zerstört, die Bücher verschleppt oder verbrannt. Beamte und Staatsangestellte waren gezwungen, die Logen zu verlassen. Der um die Denkmalpflege in Sanssouci hochverdiente Gartendirektor Georg Potente musste den Dienst quittieren. August Bonneß starb 1944 wegen „Wehrkraftzersetzung“ im Zuchthaus Brandenburg unter dem Fallbeil. Der damalige Meister vom Stuhl, der Schuldirektor Dr.Heinrich Rennau, hatte noch Ende 1932 optimistisch über den Fortbestand der Loge „Teutonia zur Weisheit“ geäußert und^ im Februar 1933 das humanitäre Wirken der Freimaurer auf einer Ganzseite in der „Potsdamer Tageszeitung“ dargestellt. Doch am 8. Februar 1934 verflogen die letzten Illusionen. Die Loge musste auf einem Konvent ihre Selbstauflösung beschließen. Nur 68 von 274 Brüdern waren dazu noch erschienen. Immerhin gelang es dem der Bruderschaft angehörenden Rechtsanwalt Dr. Schröder, das Logenhaus vor dem direkten Zugriff der Nazis zu bewahren. Er bewirkte eine Schenkung an die Stadt Potsdam, die verpflichtet wurde, „die Baulichkeiten nur zu stadteigenen, kulturellen Zwecken“ zu nutzen. Die Übergabe erfolgte am 4. Juni 1935 - also vor 70 Jahren. Immerhin achtete selbst das DDR-Regime, das die Freimaurerei nicht wieder zuließ, diesen Vertrag. Sie richtete im Gebäude ein Kulturhaus ein, das „Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“, dass vor allem durch Tanzabende Treffpunkt der Jugend wurde. Dass sie sich im Tempel der Freimaurer vergnügte, wusste sie allerdings nicht. Auf diese Bestimmung wird jetzt durch Gedenktafeln hingewiesen. Die Giebelinschrift im Tympanon „Humanitati“ (der Menschlichkeit verpflichtet) hat sich dagegen von der Erbauung des Hauses an über alle Umbrüche der Geschichte erhalten.
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