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Potsdamer Absolventen: Der Architekt und Ingenieur Jens Franke hat viele Ideen / Studium an der FH-Potsdam

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Potsdamer Absolventen: Der Architekt und Ingenieur Jens Franke hat viele Ideen / Studium an der FH-Potsdam Von Marcel Kirf „Man muss das Ziel sehen“, sagt Jens Franke. Und meint damit die grundsätzliche Einstellung, zunächst der eigenen Idee zu vertrauen, eine Vision zu verfolgen bis sie Realität geworden ist, statt „für Leistung immer gleich Bezahlung zu erwarten“. Neben solider Planung und fachlichem Können ist es wohl besonders diese unbedingte Begeisterung, der Spaß am Denken und Schaffen, die Frankes Arbeitseifer und die Bandbreite seiner teilweise preisgekrönten Projekte zu erklären vermag. Der Potsdamer, Jahrgang 1965, machte entsprechend der DDR-Ausbildungsmaxime zunächst eine Lehre als Werkzeugmacher, bevor er 1989 ein Studium der technischen Physik in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt) begann. Im Gegensatz zu geisteswissenschaftlichen Fächern hatten Mauerfall und Wende keine direkten Änderungen der Lehre zufolge. Ein Professor betreute zwölf Studenten, was einerseits optimales Arbeiten gewährleistete, andererseits ein Abtauchen in der Masse unmöglich machte. „Die Bedingungen waren hart“, erinnert sich Franke. „Wir wurden geführt. Wer die Leistung nicht brachte, musste gehen.“ Zwei Semester Tensor-Algebra in Aachen zeigten ihm, wie anders ein Massenstudium verläuft, bevor er nach Chemnitz zurückkehrte, wo er 1994 über eine Feldlösung für den plastischen Bereich diplomierte. Das anschließende Architektur-Studium an der Potsdamer Fachhochschule habe er als „schöne Auszeit“ empfunden, bekennt Jens Franke mit einem breiten Grinsen. Es gab „mehr Mädchen“, und die Anforderungen bereiteten ihm keine Schwierigkeiten. „Eine schöne Zeit“, sinniert er. Das an extremer Arbeitsteilung orientierte Ausbildungskonzept von Fachhochschulen empfinde er aber als Fehler. Statt Designer, Architekten und Ingenieure auszubilden, müsse man wieder zu ganzheitlichen Modellen zurückkommen, meint der Absolvent. Auch Fragen der Projektplanung kämen zu kurz. „Finanzierung lernst du nicht im Studium“, beklagt Franke. „Aber ohne soliden Businessplan landet man sofort auf der Nase.“ Spaßstudenten, die erst einmal Architektur studierten, und anschließend bejammerten, dass sie arbeitslos seien, kann er nicht verstehen: „Der Sinn eines Architekturstudium besteht darin, sich selbständig zu machen.“ Als Jens Franke 1999 die Fachhochschule mit Diplom verließ, war er „freiberuflicher Architekt von Anfang an“ und gründete im Jahre 2000 mit Freunden „team visier“ – eine „Ideenwerkstatt“. Hier versuchte man Architektur in einem umfassenden kulturellen, gesellschaftlichen, politischen und historischen Kontext zu denken. Und beschränkt sich nicht alleine darauf, wie die Variationsbreite der aktuellen Projekte aufzeigt: Mit dem „Diabetiker-Handy“ sollen Zuckerkranke wichtige Daten dokumentieren, verwalten und online übermitteln können – ein Konzept, das 2001 mit dem internationalen Novo Nordisk-Preis ausgezeichnet wurde und beim letztjährigen Existenzgründerwettbewerb „Start-Up“ den dritten Platz belegte. Die „Hörspielkirche Federow“ ist eine sich selbst finanzierende Sanierungs- und Wiederbelebungstrategie für baufällige Dorfkirchen. Und durch „Potsdam Visiere“, L-förmige Stelen aus scharlachrotem Stahlblech, soll in den nächsten Jahren der Alte Markt als veränderliche Mitte einer Stadt erfahrbar gemacht werden. Wie bei Werbetafeln mit wechselnden Plakaten, rotieren im Guckfenster der vier Säulen jeweils neun perspektivische Ansichten des Alten Markts, historische von der Slawenburg bis heute, und ein paar Zukunftsmodelle als Denkanstoß. Ein Kunstprojekt, das in den gesellschaftspolitischen Raum ausgreift. Da „team visier“ keine Fördergelder beantragt, sondern gleich einen Financier mitliefert, stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Stadt die Stelen bald aufstellen lässt. Die Vorhaben werden über projektbezogene GbRs betrieben, Franke stellt spezifische Expertenteams zusammen. So arbeiten neben seinen Kollegen von „team visier“ am Diabetiker-Handy zwei Potsdamer Ärzte mit, ist das Stelenprojekt „Potsdam Visier“ in Zusammenarbeit mit der Schweizer Künstlerin Florence Girod entstanden. Ist aus einer Idee ein Konzept geworden, müssen Namensrechte und Patente erworben werden, ein Businessplan aufgestellt, Prüfer und Anwälte engagiert, Kunden entdeckt und überzeugt werden. Parallel dazu wird ein Produkt, eine Idee fortentwickelt. Basisdemokratisch, im Team, wie Franke betont, was zwar zu „Schleifverlusten“ führe, aber erheblich befriedigender sei als abhängige Beschäftigung. Zu Jens Frankes Thesen gehört der Sinnspruch: „Niemals von der Idee leben.“ Es sei der falsche Weg, aus nur einem Einfall gleich eine Existenzgründung zu machen, glaubt er. Der Versuch davon zu leben, müsse scheitern. Er selbst finanziert sich über „ganz normale“ Auftragsarbeiten als Ingenieur und Architekt, hat zum Beispiel das Forsthaus Templin und das Gutshaus Geltow saniert. Seine Unabhängigkeit ist ihm wichtig, die finanzielle und besonders die geistige. „Man muss den Mut haben, auch mal Nein zu sagen, wenn ein potentieller Geldgeber das Wesen einer Idee verändern will“, sagt er. „Und bloß nicht rumheulen! Es gibt überall Chancen!“

Marcel Kirf

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