Von Torsten Hilscher: Der neue Schiffsfahrstuhl
In Niederfinow wächst das zweite Schiffshebewerk aus der Erde / Es wird etwas teurer als geplant
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Berlin/Niederfinow - Sie sind wohl die besten Kenner des legendären Schiffshebewerkes Niederfinow (Landkreis Barnim). Ihre Arbeitsplätze aber liegen meilenweit voneinander entfernt: Peter Huth ist Leiter des Wasserstraßen-Neubauamtes Berlin; Hans-Jürgen Heymann sitzt als Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes in Eberswalde. Und Helmut Kluge fungiert als Gästeführer in Niederfinow. Inzwischen ist ihre gemeinsame Leidenschaft auch für das neue Schiffshebewerk Niederfinow entflammt, dessen Umrisse bald aus dem Boden wachsen.
„Die Fertigstellung soll Ende 2014 sein“, sagt Projektleiter Huth. „Wir bewegen uns weitestgehend im Kostenrahmen, auch wenn ein Nachtrag von zwei Prozent anfällt, was 4,8 Millionen Euro entspricht. Weitere Steigerungen nicht ausgeschlossen. Aber das ist nicht ungewöhnlich für eine solche Baustelle.“ Finanziert wird das Projekt vom Bund. Ende 2014 soll laut Huth auch gleich der Probebetrieb aufgenommen werden, ab 2015 der Dauerbetrieb. „Es hängt viel davon ab, wie der kommende Winter ausfällt. Vergangenen Winter haben wir wegen der strengen Witterungsverhältnisse so ziemlich alle zeitlichen Puffer aufgebraucht“, fügt Huth hinzu. Nach seinen Angaben ist der obere Vorhafen des neuen Hebewerkes zu wesentlichen Teilen vollendet. Im unteren Bereich sind Bodenplatte und Trogwanne betoniert.
Das neue Hebewerk wird weitaus größere Schiffe (bis 115 Meter) als sein 1934 eröffneter Vorgänger aufnehmen können, erklärt Heymann als Betreiber der Anlagen. Das neue Hebewerk hat er mitgeplant. Es soll auch Besuchern tiefe Einblicke gewähren. „Eine Plattform wird durch das Tragwerk ins Innere führen, von wo durch Glas die Scheiben der Aufzugsseile zu sehen sind.“ Sie ziehen in 43 Metern Höhe 224 Seile, an denen der Trog hängt. Mit Wasser soll dieser überdimensionale Aufzug 9900 Tonnen wiegen, was rund 17 Airbussen entspricht.
Mit einem Hebewerk können Schiffe Höhenunterschiedes zwischen Wasserstraße überwinden. In Niederfinow sind es 36 Meter auf der Oder-Havel-Wasserstraße. „Die Zeit des alten Hebewerkes ist endlich“, sagt Wasserbauingenieur Huth. „Es wird aber noch so lange betrieben, wie es ohne große Unterhaltungskosten weiter läuft.“ Das sei jedoch eine absehbare Zeit. Heymann zufolge ist der Weiterbetrieb über 2015 hinaus „sicher auch eine Personalfrage“. Vor allem aber seien viele Teile nicht mehr verfügbar und müssten bei Bedarf teuer aus dem Ausland bezogen werden. Noch aber läuft es im Rund-um-die-Uhr-Betrieb. „Es ist das momentan älteste Dienst tuende Schiffshebewerk in Deutschland“, sagt Heymann.
Zur Freude des regionalen Tourismusamtes. „Trotz seines hohen Alters ist das Schiffshebewerk einer der Top-Attraktionen im Barnimer Land“, sagte Leiterin Sabine Grassow. „Die Touristen sind überwältigt davon, was man zur damaligen Zeit gebaut hat“, sagt Helmut Kluge. Sein „Schiffergasthaus“ liegt nur 200 Meter entfernt und ist auch so etwas wie das Heimatmuseum im Ort. Die Wände sind mit Aufnahmen der Bauphase des Hebewerkes ab 1927 und aus dem Eröffnungsjahr 1934 gepflastert.
Kluge selbst erweist sich als wandelndes Lexikon. Der heute 63 Jahre alte Elektromeister war jahrzehntelang Brigadier beim Eberswalder Amt und damit zentral für Niederfinow zuständig. Noch immer ist er von dem Bau fasziniert. „Dort sind verschiedene Patente verbaut, die auch im neuen Hebewerk genutzt werden sollen.“ Die Konstruktion sei schlicht „gigantisch“. In den 76 Jahren seit Eröffnung habe es insgesamt nur zwei Monate Ausfall durch Störungen gegeben, sagt er und fügt stolz hinzu: „Was ja auch zeigt, dass es eine gute Pflege und Wartung gab.“ Wie zu DDR-Zeiten üblich seien viele Ersatzteile in Handarbeit durch sein Kollektiv gefertigt worden. Und Kluge sagt weiter: „Das Schiffshebewerk ist eine Herzenssache, die uns unsere Vorfahren zum Bewahren übergeben haben.“
Torsten Hilscher
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