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Landeshauptstadt: Der Norden hat das Nachsehen

Wieder fehlen Gesamtschulplätze. Kinder aus Bornstedt sind bei der Vergabe benachteiligt und werden Oberschulen zugewiesen

Stand:

Gerne würde Bernd Starke* seine Tochter Melanie* als Abiturientin an einer Gesamtschule sehen. Doch dafür wohnen sie im falschen Wohngebiet. Das ist zugespitzt formuliert. Aber wenn die Familie im Zentrum Potsdams oder auch am Schlaatz wohnen würde, hätte sie bessere Chancen, dass ihre 13-jährige Tochter ab kommendem Schuljahr auf eine Gesamtschule gehen kann und nach der 13. Klasse ihr Abizeugnis in der Hand hält. Doch Familie Starke wohnt im Bornstedter Feld. Statt die 7. Klasse der Voltaire-, Lenné- oder Schilfhof-Gesamtschule zu besuchen, wird Melanie ab August auf die Fontane-Oberschule in der Waldstadt II gehen. „Das Niveau ist auf einer Oberschule lange nicht so hoch wie auf einer Gesamtschule. Wir haben Angst, dass das Kind heruntergezogen wird“, sagt Starke.

Wie jedes Jahr hat die Stadt Potsdam nicht ausreichend Gesamtschulplätze, um allen Wünschen der Eltern und Kinder im Ü7-Verfahren, dem Übergang von der Grund- in die weiterführende Schule, gerecht zu werden. Rund 130 Sechstklässler werden nach Angaben des staatlichen Schulamts ab kommendem August nicht auf die Schule ihrer Wahl gehen können. Zwar hat die Stadt aufgrund der vielen leistungsstarken Schüler in diesem Jahr eine zusätzliche fünfte Gymnasial-Klasse am Einstein-Gymnasium eingerichtet. Rund 30 Schüler, die eine Gesamtschule besuchen wollten, aber die Empfehlung „FOR“ für Fachoberschulreife bekamen, wurden allerdings Oberschulen zugewiesen.

Bei der Wahl der Schüler sei die Wohnortnähe das entscheidende Kriterium, erklärt Schulrat Dörnbrack. Im Potsdamer Norden aber gibt es bislang keine weiterführende Schule. Auch Familien aus den eingemeindeten Gebieten wie Fahrland, Groß Glienicke, Bornim oder Eiche werden auch noch in den nächsten Jahren das Nachsehen haben. Erst zum Schuljahr 2016/2017 soll die Da-Vinci-Schule, die sich jetzt noch in der Haeckelstraße in Potsdam-West befindet, in den Norden umziehen.

Das Problem der benachteiligten Kinder aus dem Potsdamer Norden ist der Stadt bekannt: Bereits vor einem Jahr sagte die Bildungsbeigeordnete Iris Jana Magdowski (CDU) gegenüber den PNN: „Eltern gehen leer aus, wenn sie eine FOR-Empfehlung haben, aber es gibt vor Ort keine Gesamtschule. Die fallen durch die Roste. Die Kinder müssen dann auf eine Oberschule gehen. Darüber wird man sprechen müssen.“ Getan hat sich allerdings nichts.

Familie Starke bekam Mitte Juni die Ablehnung für ihre Favoriten, die Lenné- und die Voltaire-Gesamtschule. Nun konnten sie sich noch für freie Plätze an der Schilfhof-Schule am Schlaatz bewerben. „Da ging das ganze Auswahlprozedere von vorn los“, sagt Bernd Starke. Da wieder nach Wohnortnähe entschieden wurde, gingen sie wieder leer aus. „Innerhalb von zwei Wochen hat das Kind drei Absagen bekommen. Sie hat nur noch geweint und überhaupt keine Lust mehr auf Schule.“

Schulrat Dörnbrack rät Eltern im Ü7-Verfahren deshalb, sich im Vorfeld genau zu überlegen, welche Schulen sie als Erst- und Zweitwunsch angeben: „Viele konnten wir auch nicht bedienen, weil sie nicht ganz glücklich gewählt haben“, sagt Dörnbrack. Die Starkes gehören dazu: Als Favoriten wählten sie die Lenné- und die Voltaire-Gesamtschule – jede der beiden Schulen hatte deutlich mehr Bewerber als Plätze. Dass man besser strategisch wählt, also mindestens eine Schule in der Ü7-Bewerbung angibt, die weniger nachgefragt ist, wussten die Starkes nicht: „Da gab es keine Beratung dazu, weder in der Grundschule noch bei den Info-Abenden in den Gesamtschulen“, sagt der Vater.

Bernd Starke hat nun Widerspruch eingelegt. Aussicht auf Erfolg hat er kaum: Im vergangenen Jahr musste sich das Schulamt wegen eines Verfahrensfehlers lediglich einer Klage beugen und einen Schüler zusätzlich in eine Klasse aufnehmen. Schulrat Dörnbrack sieht der diesjährigen Widerspruchs- und Eilverfahrenswelle gelassen entgegen: „Die Bescheide werden vor Gericht standhalten“, sagt er.

Einzige Hoffnung für die Starkes: Wenn ihre Tochter Melanie sehr gute Leistungen hat, kann sie auch noch auf eine Gesamtschule wechseln. Sogar noch vor der zehnten Klasse – vorausgesetzt, es sind Plätze frei. Grit Weirauch

* Beide Namen von der Redaktion geändert

Grit Weirauch

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