
© Manfred Thomas
Tag des offenen Denkmals: Der Ohropax-Erfinder und sein Haus
Hubertus Negwer ließ die Villa seines Großvaters in der Gregor-Mendel-Straße sanieren. Am Sonntag ist sie zu besichtigen.
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Jägervorstadt - In der Gregor-Mendel-Straße, früher Marienstraße, ist es still. Hier hätte der 1872 geborene Maximilian Negwer seine Erfindung wohl nicht machen können. Aber in Berlin, wo er zuerst wohnte, sorgte der anschwellende Lärm der Großstadt für eine entsprechende Nachfrage, auf die der Drogist und Apotheker kreativ reagierte – und „Ohropax“ erfand. Zu Wohlhabenheit gekommen, kaufte Negwer die in seinem Geburtsjahr 1872 durch Hofmaurermeister Carl Partik errichtete Villa in der Potsdamer Gregor-Mendel-Straße 34. In den vergangenen Jahren wurde die spätklassizistische Villa saniert – von Negwers Enkel Hubertus Negwer, von Beruf Architekt. Zum Tag des offenen Denkmals am kommenden Sonntag, traditionell am zweiten Sonntag im September, kann das Wohnhaus des Ohropax-Erfinders besichtigt werden. Motto des Tages ist in diesem Jahr „Romantik, Realismus, Revolution – das 19. Jahrhundert“. Bundesweit sind 7500 Bauwerke und Bodendenkmäler zu besichtigen.
Bereits gestern besuchte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) das herrschaftliche Haus und lobte das Engagement Negwers. Denkmalpflegerin Sabine Ambrosius würdigte die Präzision und Sorgfalt, mit der Negwer instand setzte. Sehenswert ist die Wiederherstellung der historischen Fußböden. Der so Gelobte würdigte seinerseits die Potsdamer Handwerker, die gute Arbeit geleistet hätten. Der 52-Jährige berichtete, dass sein Urgroßvater 1901 nach Berlin kam und in der stark wachsenen Großstadt begann, mit Wachs, Vaseline und Watte zu experimentieren, nachdem er zunächst Salben mixte und Bonbons herstellte.
1907 ließ Maximilian Negwer sein Ohropax patentieren. „Der Name ist die eigentliche Erfindung“, so sein Enkel. Verschiedene Mittel, die man sich in die Ohren stopft, hatten viele im Angebot. Aber keiner fand so einen schönen, eingängigen Namen. Der Name „Ohropax“ ist zusammengesetzt aus den Wörtern „Ohr“ und „Pax“ (lat. „Frieden“). Ihren Durchbruch verdanken die Wachskugeln allerdings Großbestellungen des Militärs ab 1916.
Mit dem Umzug der Familie 1924 nach Potsdam kam auch die Ohropax-Produktion in die heutige brandenburgische Hauptstadt. Hergestellt wurden die Ohr stöpsel in einem anderen Haus, das sich ebenfalls in der Gregor-Mendel- Straße befand.
1945 wurde die Villa Negwer von der Roten Armee beschlagnahmt. Es zogen Offiziersfamilien ein, berichtete Hubertus Negwer. Die Negwers gingen samt Fabrik nach Frankfurt (Main). Heute führt Negwers Cousin das in Wehrheim (Hessen) ansässige Unternehmen. „Es geht der Firma bestens“, sagte Negwer.
Bis 1997 wurde das Haus als Altenpflegeheim der Stadt Potsdam genutzt. Nach kurzem Leerstand, der zu einer Besetzung des Hauses und einer polizeilichen Räumung nach zwei Wochen führte, erhielt die Familie Negwer das Grundstück rückübertragen. Negwer hat viel Verständnis für die jungen Hausbesetzer, er habe selbst an Hausbesetzerdemos im Westteil Berlins teilgenommen. Unschön sei jedoch, dass bei der Besetzung Teile der nun wiederhergestellten Holztreppe herausgerissen wurden. „Das Haus war sehr ruinös“, erklärte Negwer. Als positiv habe sich erwiesen, dass die Villa zu DDR-Zeiten nicht ausgebaut wurde. „Die Substanz war die alte“, so der Architekt, der die Sanierung des alten Stammsitzes seiner Familie selber leitete. Dass die Wahl für den Tag des offenen Denkmals auf ein ganz normales Privathaus falle, war Absicht, erklärte Denkmalschützerin Ambrosius. Denkmalschutz bedeute auch, die Alltäglichkeit zu bewahren als Zeugnis der Geschichte. Wenn Hubertus Negwer den Andrang der Besucher am Sonntag überstanden hat – in der Villa sind neben den Restaurierungserfolgen auch Kunstwerke der Künstlergruppe Neues Atelierhaus Panzerhalle zu sehen – wird er entscheiden, ob er selbst in den oberen beiden Etagen der Villa wohnen wird. Das repräsentative Erdgeschoss werde vermietet. Oberbürgermeister Jakobs, qua Amt auch Potsdams oberster Wirtschaftsförderer, würde freilich auch gern sehen, wenn mit den Negwers auch Ohropax den Weg zurück nach Potsdam fände. Jakobs: „Ohropax und Potsdam gehören gut zueinander.“
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Eine genaue Übersicht über die geöffneten Denkmale finden Sie in der Printausgabe der PNN am Donnerstag
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