
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Der Pate der „Sangeskunst“
Norbert Schüler aus Potsdam ist der Meister des Wortes – und hat damit einen Wettbewerb gewonnen
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Der Pate hat eine Katze, wie könnte es auch anders sein. Sie hat es sich auf einer großen Standuhr gemütlich gemacht. Doch der Pate, der da auf der Couch sitzt, ist nicht Marlon Brando alias Don Vito Corleone. Und mit der Mafia hat Norbert Schüler, 60, nun wirklich gar nichts zu tun. Schüler ist Wortpate und nicht irgendeiner.
8773 Worte hat der Potsdamer Versicherungsvermittler in vier Monaten bei der Aktion Wortpatenschaft des Vereins Deutsche Sprache (VDS) vorgeschlagen – und damit einen Wettbewerb im gesamten deutschsprachigen Raum gewonnen. Der Zweitplatzierte aus Stralsund hatte weniger als die Hälfte, 3956 Worte eingereicht. Das Prinzip ist ebenso simpel wie das Ziel hehr: Jeder, der ein Wort für schön und erhaltenswert befindet, kann es in der Internet-Datenbank unter wortpatenschaft.de einreichen. Ziel ist es, die etwa 2000 Jahre alte deutsche Sprache zu schützen, ganz nebenbei soll außerdem die „größte Datenbank deutscher Zunge“ entstehen, neben der der Duden wie eine Kinderübung wirkt.
Auf die Idee, teilzunehmen kam der aus Beelitz stammende Schüler zufällig. Im Februar wurde er krank und suchte eine sinnvolle Beschäftigung. Beim Surfen im Internet stieß er auf die Aktion Wortpatenschaft. „Ich habe mich schon immer für Sprachen interessiert“, erzählt Schüler, der sich neben Russisch-, Englisch- und Französisch-Kenntnissen sogar ein wenig vom künstlichen Weltsprachen-Flop Esperanto angeeignet hat. Er wälzte jede Menge Bücher, immer auf der Jagd nach neuen Wörtern. Als Gartenliebhaber entlehnte er viel aus der Welt der Flora. „Ich liebe Wörter, die Farbe haben, die gut klingen und die ein Gefühl auslösen“, gerät Schüler ins Schwärmen. „Blütenpracht“ ist so ein Wort. Oder „Sangesfreude“. Für dieses Wort hat er auch die Patenschaft übernommen. Denn der 60-Jährige singt seit 14 Jahren im Männerchor Potsdam – drei große Auftritte hat er jedes Jahr, zum Frühlings- und Herbstkonzert, auch Weihnachten lassen die Herren ihre Stimmen erschallen. Der Spaß am Singen war es auch, der ihn trieb, das entsprechende Synonym unter seine Fittiche zu nehmen. Pflichten sind damit nicht verbunden, als Lohn gab’s eine schmucke Urkunde, ein T-Shirt mit dem aufgedruckten Wort und eine edel gravierte Steinplatte.
Natürlich hat jedes Wort weltweit nur einen Paten und Norbert Schüler befindet sich mit seiner Wort-Schirmherrschaft in prominenter Gesellschaft. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich etwa für „Klimaschützerin“ entschieden, „Tagesthemen“-Legende Ulrich Wickert für „Freiheit“, Schauspielerin Annette Frier für „Sternschnuppenschnee“, die Puhdys – möglicherweise nicht ohne einen Hauch Eitelkeit – für „Meistermusiker“.
„Der Klügere spricht Deutsch“ ist das Motto des VDS, mit 32 000 Mitgliedern in über 100 Ländern nach eigenen Angaben der größte Sprachverein der Welt. Anglizismen fliegen also gnadenlos raus, was auch Norbert Schüler gut findet. Doch er glaubt, dass der Trend der Jugend zum Englisch-Vokabular eines Tages auch wieder in die andere Richtung geht. Man müsse die deutsche Sprache aber pflegen, damit schöne Wörter nicht verdrängt werden. „Wir verarmen, wenn wir diese Vielfalt nicht mehr haben“, warnt Schüler. Deutsch sei eine der reichsten Sprachen überhaupt, die allein in Europa von über 100 Millionen Menschen gesprochen werde. Natürlich gibt es auch jede Menge Wörter, die Schüler nicht mag. „Alles, was man mit Hass, Terror oder Gewalt assoziiert“, sagt er. Und natürlich Wortschöpfungen aus dem Propagandaministerium des Dritten Reichs.
Inzwischen hat Schüler seine anerkannten Vorschläge in der Wortdatenbank des VDS auf fast 8900 hochgeschraubt. Die 10 000er-Marke will er noch knacken. „Das macht einfach Spaß“, sagt er. Eine Patenschaft will er auch noch übernehmen, für ein Wort, das mit einer Musikerin zu tun hat. Welche, will Schüler noch nicht verraten. Schließlich könnte ihm sonst einer zuvorkommen. Peer Straube
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