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Landeshauptstadt: „Der richtige Knick kommt noch“

Edelgard Woythe, Chefin der Potsdamer Arbeitsagentur, über die Entwicklung des Arbeitsmarktes und Mittel gegen den Fachkräftemangel

Frau Woythe, wie wird sich der Potsdamer Arbeitsmarkt in diesem Jahr entwickeln?

2014 wird ein spannendes Jahr. In Potsdam und der Region könnte die Arbeitslosigkeit leicht zurückgehen. Allerdings sind auch wir von den Unsicherheiten betroffen, die für den Arbeitsmarkt bundesweit gelten: die Entwicklung der Eurokrise und die Konjunktur auf den deutschen Exportmärkten.

Die Unsicherheit gab es auch schon im Jahr 2013. Wie lief denn das zurückliegende Jahr am Arbeitsmarkt in Potsdam?

Insgesamt kann man ganz zufrieden sein. Der Arbeitsmarkt hat sich im Jahr 2013 robust entwickelt, obwohl das Jahr schwierig anfing. Das zweite Halbjahr hat das aber wieder ausgeglichen. Die Beschäftigung ist leicht gestiegen. Im Jahresdurchschnitt lag die Arbeitslosenquote in Potsdam bei 7,5 Prozent. Das sind 0,2 Prozent weniger als im Jahr 2012 und damit die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung. In Potsdam ist der Arbeitsmarkt auch durch den anhaltend hohen Zuzug gekennzeichnet. Dabei kommen überwiegend höher qualifizierte Menschen nach Potsdam, die bereits einen Job haben oder schnell fündig werden. Hohen Bedarf nach Arbeitskräften gibt es insbesondere im Gesundheitswesen und bei Ingenieuren.

Sind wir auf dem Weg in die Vollbeschäftigung?

Das kann man so nicht sagen. Die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich leider nicht reduziert. In dieser Gruppe gibt es einen hohen Anteil an ungelernten oder angelernten Arbeitssuchenden. Da müssen wir gezielt mit den Bewerberprofilen zu den Betrieben gehen. Das ist natürlich mühsam. Hier zählt jeder Einzelerfolg.

Woran mangelt es denn?

In Potsdam gibt es nur wenig verarbeitendes Gewerbe. Diese Stellen fehlen uns einfach. Auf der anderen Seite ist jedoch nicht jeder für die Dienstleistungsbranche geeignet. Schließlich erfordert das eine offene Ausstrahlung, eine entsprechende Kommunikationsfähigkeit und auch fachliche Kompetenz.

Und wie sieht es bei hochqualifizierten Arbeitssuchenden aus?

Ganz anders. Nach einer Kündigung finden sie oft einen Job, ehe sie überhaupt arbeitslos sind. Außerdem sind die Potsdamer Arbeitnehmer ohnehin sehr mobil und schauen sich auch nach Jobs in Berlin oder in Teltow-Fläming um. Bei Personen aus Brandenburg an der Havel beobachten wir auf der anderen Seite häufig, dass sie sehr großen Wert darauf legen, auch in ihrer Stadt zu arbeiten.

Gibt es angesichts der großen Nachfrage noch ausreichend Fachkräfte?

Bisher wächst die Beschäftigung stetig. Immer mehr Menschen arbeiten. Viele Arbeitnehmer sind weiter aktiv, obwohl sie eigentlich bereits im Rentenalter sind. Außerdem haben wir Zugänge aus der sogenannten stillen Reserve – also beispielsweise Frauen, die wieder arbeiten, nachdem die Kinder aus dem Haus sind. Der Arbeitsmarkt steckt jedoch mitten in einer Wandlung, die von der veränderten Demografie ausgelöst wird. Die Jahrgänge, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen, werden immer kleiner. Das wird über kurz oder lang problematisch, wenn sich die Unternehmen nicht darauf einstellen. Der richtige Knick kommt noch.

Wie sollten sich Unternehmen verhalten?

Ganz wichtig ist die Aus- und Weiterbildung. Jugendliche, die hier keinen Ausbildungsplatz finden, verlassen die Region. Sie später zurückzuholen ist viel schwieriger, als sie jetzt zu halten. Langfristig kann es deshalb sinnvoll sein, wenn ein Betrieb auch in Auszubildende investiert, die vielleicht nicht die besten Schulnoten haben. Die Bindung an das Unternehmen ist dann später umso höher. Man kann sich nicht nur die Rosinen herauspicken.

Welche Rolle spielt die Weiterbildung?

Das ist eine Chance, Mitarbeiter zu binden. Wir unterstützen berufsbegleitende Qualifizierungen mit unserem Programm „Wegebau“. Da gibt es sogar einen Entgeltzuschuss. Doch es ist schwierig, die Betriebe zu überzeugen. Die Pflegebranche ist in dieser Beziehung ein Vorreiter. Dort werden beispielsweise Pflegehelfer zu Fachkräften weiterqualifiziert.

Warum ist das so?

Die Branche steht stark unter Druck. Auch in Potsdam kämpfen die Arbeitgeber um qualifiziertes Personal. Der Bedarf ist so hoch, dass wir mit den Qualifizierungen kaum nachkommen. Allerdings ist das auch ein anspruchsvoller Beruf. Die Belastung ist auch psychisch hoch. Das halten viele auf die Dauer nicht aus.

Was können die Unternehmen noch tun, um Personal zu finden?

Reserven gibt es auch bei Arbeitskräften aus dem Ausland. Allerdings wünsche ich mir hier eine noch stärker ausgeprägte Willkommenskultur. Viele Arbeitgeber haben noch Vorbehalte. Und oftmals reichen bei den ausländischen Bewerbern die Sprachkenntnisse nicht aus, um sofort arbeiten zu können. Außerdem dauert die Anerkennung der Berufsabschlüsse noch zu lange.

Wo haben denn Jugendliche in der Region gute Jobchancen?

Das Handwerk sucht händeringend Nachwuchs. Aber diese Berufe haben viele Jugendliche nicht im Blick. Wir versuchen da aufzuklären. Das sind sichere Arbeitsplätze mit vielen Chancen, vor allem aber sehr vielfältige und spannende Ausbildungsmöglichkeiten.

Die Fragen stellte Marco Zschieck

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