
© A. Klaer
Von Jan Brunzlow: Der „rote Feger“ soll ins Rathaus
Die Linke nominiert Hans-Jürgen Scharfenberg, strukturiert sich neu und sendet Signale an die SPD
Stand:
Die ältere Dame war ehrlich. Sie war es, die sich bei der Nominierung Hans-Jürgen Scharfenbergs zum Oberbürgermeisterkandidaten der Linken am Samstag enthalten hat. „Ich hätte mir einen Kandidaten gewünscht, der zehn Jahre jünger ist“, sagte sie zu dem Landtagsabgeordneten. Dennoch wünschte sie dem 56-Jährigen viel Erfolg für die Wahl und herzte ihren Kandidaten. Denn Scharfenberg, der nach 2002 zum zweiten Mal um das Amt des Oberbürgermeisters kämpft, ist kurz zuvor mit überwältigender Mehrheit als Oberbürgermeisterkandidat für die Wahl am 19. September nominiert worden. Gegenkandidaten gab es nicht. Bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung stimmten 83 der 85 Delegierten (97,6 Prozent) für Scharfenberg.
Über seine Wahlchancen wollte Scharfenberg nicht spekulieren, er rechne sich aber Chancen aus. Jedoch sei es die erste Oberbürgermeisterwahl nach acht Jahren – Potsdam habe sich verändert, die nördlichen Ortsteile wählen erstmals mit. Eine Prognose sei für alle daher schwierig, so Scharfenberg. Von Linke-Kreischef Günther Waschkuhn erhielt er neben der angekündigten vollen Unterstützung des Kreisverbandes „diesen roten Feger“, Kehrschaufel und Handfeger in rot, geschenkt. „Ab damit ins Stadthaus und auskehren“, sagte Waschkuhn. Scharfenberg selbst zeigte sich überrascht vom klaren Ergebnis. Er sei „eine streitbare Persönlichkeit“, das wisse er. In seiner Bewerbung unterstrich Scharfenberg, die Stadt nicht spalten zu wollen, sondern sich für alle Bürger einzusetzen. Es gelte, keine Fraktionen auszuschließen und gemeinsam für „ein Potsdam für alle zu kämpfen“. Der zunehmenden Spaltung zwischen arm und reich müsse entgegengewirkt werden, so Scharfenberg, der nur wenige gezielte Angriffe auf Amtsinhaber Jann Jakobs (SPD) startete, ansonsten die eigenen Stärken betonte und sich für einen demokratischen Sozialismus aussprach.
Auch mit seiner Biografie und der Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter der DDR- Staatssicherheit setzte sich der gebürtige Annaberger auseinander: „Das ist ein Teil meines Lebens, den ich heute sehr kritisch sehe. Ich kann diesen Fehler, der über dreißig Jahre zurück liegt, aber nicht mehr rückgängig machen. Ich habe aus meiner selbstkritischen Bewertung nie ein Hehl gemacht. Zugleich war ich aber nicht bereit, meine Biografie durch einen ständigen Kniefall nur auf diesen Fakt reduzieren zu lassen.“ Vor einigen Monaten, nach Bildung der rot-roten Landesregierung, gab es Kritik an den Linken und der potenziellen Kandidatur Scharfenbergs. Die ist inzwischen verstummt, SPD und CDU haben bereits erklärt, Scharfenbergs Vergangenheit nicht zum Wahlkampfthema machen zu wollen. Auch Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov sagte, die Bürger würden nun darüber entscheiden.
Markov wünsche sich für Potsdam einen „roten Oberbürgermeister von den Linken“. Schwerins Oberbürgermeisterin sei von den Linken, Potsdam könnte die zweite Landeshauptstadt werden. Er appellierte aber zugleich an Scharfenberg, ein „anderes Verhältnis zwischen den großen Parteien herzustellen“. Auf Landesebene gebe es eine rot-rote Zusammenarbeit, in der Stadt müsse sich der Umgang miteinander normalisieren. Scharfenberg galt bei seinen Kritikern als Verhinderer einer rot-roten Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene. Am Samstag erklärte er, eine engere Zusammenarbeit beider Parteien würde der Stadt „nur gut tun“ – Und: „Ich setze mich dafür ein“.
Damit die Potsdamer Linke auch in Zukunft handlungsfähig bleibt, ist am Samstag nach jahrelanger Diskussion eine neue Struktur im Kreisverband beschlossen worden. In sieben Ortsteilen der Landeshauptstadt werden nun analog zur SPD und anderer Parteien Ortsvereine gegründet. Sie sollen langfristig die heutigen BO’s, die Basisorganisationen, ablösen.
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