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Seit 44 Jahren zeigt Bernd Schröder an, wo es beim 1. FFC Turbine Potsdam langgeht. Jetzt hat er angedeutet, dass im kommenden Jahr Schluss sein könnte.

© Christoph Schmidt/dpa

Pläne von Turbine-Chefcoach: Der schwierige Ausstieg

Bernd Schröder kann sich ein Trainer-Ende im kommenden Jahr bei Turbine Potsdam vorstellen. Wenn es passt.

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Potsdam - Das Bild hatte Symbolgehalt. Als der Schlusspfiff am vergangenen Mittwoch den 2:1-Sieg von Turbine Potsdam über den 1. FFC Frankfurt im DFB-Pokal-Halbfinale besiegelt hatte, lag sich das Potsdamer Trainer-Trio kurz in den Armen. Bernd Schröder, Dirk Heinrichs und Achim Feifel herzten sich an der Seitenlinie, während sich ihre Spielerinnen auf dem Platz zum Jubeltanz formierten. Den Einzug ins Pokalfinale ausgerechnet beim Erzrivalen am Main geschafft zu haben, bei dem Turbine noch vor sechs Wochen mit 1:5 vorgeführt wurde, verschaffte auch auf der Trainerbank Genugtuung. Die Chance, am 1. Mai im Pokalfinale in Köln den Nachweis zu erbringen, dass Turbine Potsdam sehr wohl die Qualität hat, nationale Trophäen zu gewinnen, dürfte nach den teils schwachen Bundesliga-Auftritten Balsam gewesen sein.

Der Schulterschluss an der Seitenlinie drückt aber mehr aus. Für Heinrichs und Feifel dürfte es auch ein Schulterklopfen von Schröder, der grauen Eminenz im Trainingsanzug, gewesen sein. Der 72-Jährige hat in der jüngeren Vergangenheit wiederholt betont, dass er seinen Platz frei machen wird, wenn er das Feld für einen Nachfolger gut bestellt weiß. Unmittelbar vor dem Pokalhalbfinale in Frankfurt ist er erstmals konkreter geworden: Im nächsten Jahr könnte Schluss sein. „Das ist ja nicht so weit hergeholt“, bekräftigt Schröder auf PNN-Anfrage. Zum einen wären es dann 45 Jahre, die er als Turbine-Chefcoach gearbeitet hat. Zum anderen ist es Zeit für Veränderungen, die Schröder selbst herbeiführen will. Ganz bewusst nennt er sowohl seinen langjährigen Co-Trainer Heinrichs als auch Feifel als potenzielle Erben seines Trainerstuhls. Heinrichs (46), einst Torhüter beim SV Babelsberg 03, sammelt seit sieben Jahren an Schröders Seite Erfahrungen im Frauenfußball. Feifel (50) betreute acht Jahre die Frauen des Hamburger SV in der Bundesliga, war ein knappes halbes Jahr beim russischen Frauen-Erstligisten FC Rossiyanka unter Vertrag, ehe er im vergangenen Sommer nach Potsdam kam.

Eine Hintertür bleibt offen

Bernd Schröder ist ein Mann klarer Worte. Gerade erst attestierte er ungeschminkt Steffi Jones als designierter Nachfolgerin von Bundestrainerin Silvia Neid fehlende Kompetenz für diesen Job, forderte eine Trainer-Männerquote im Frauenfußball des DFB. Doch so geradeaus er in seinen Meinungsäußerungen ist – für seinen Ausstieg aus dem Trainergeschäft lässt er sich eine Hintertür offen: „Man muss sehen, ob es mit einem anderen Trainer funktioniert.“ Und wenn sich Sponsoren zurückziehen, weil er nicht mehr da wäre, „könnte man immer noch reagieren“, meint Schröder, weiß aber auch: „Es muss auch Zeichen für Sponsoren geben, dass sich etwas ändert.“

Es ist nicht einfach für ihn loszulassen. Was verständlich ist. Schließlich formte er aus einer Betriebssportgemeinschaft des VEB Energieversorgung einen der renommiertesten Frauenfußballklubs in Europa. Er hat den 1. FFC Turbine Potsdam als Aushängeschild nicht nur einer Stadt, sondern seiner Meinung nach für ganz Ostdeutschland gezimmert. Auch am vergangenen Mittwoch trichterte er seinen Spielerinnen vor dem Halbfinale ein, dass der Verein wie kein anderer in der Potsdamer Öffentlichkeit stehe und auch eine repräsentative Funktion hat. „Ich habe ihnen erklärt, dass mit einer Niederlage auch unser Image in Gefahr ist.“ Schröder meint damit nicht nur das Image des Erfolges, sondern auch Turbines Mentalität, sich Siege und Titel aus eigener Kraft erarbeiten zu müssen.

Turbine als Eigengewächs auf märkischem Boden

„Wir haben mit dem Verein eine Oase geschaffen, die wir gebraucht haben“, sagt Schröder. Während in der Finanzmetropole Frankfurt reichlich Geld in den 1. FFC floss und in der VW-Stadt Wolfsburg bei der Professionalisierung des Frauenfußballs mächtig Gas gegeben wird, galt Turbine bislang als Eigengewächs auf märkischem Boden – verwurzelt mit der heimischen Wirtschaft, gepflegt von der Potsdamer Fan-Familie. Mit der Philosophie des Geldes wurde Turbine unter Schröder nie gesteuert, vielmehr profitierte der Verein lange von seiner Nachwuchsarbeit und seinem Familiensinn. „Ich kenne meine Spielerinnen, die Familien, die sozialen Strukturen, wie sie ticken“, sagte Schröder einmal in einem „Zeit“-Interview.

Die Zeit tickt. Die Professionalisierung des Frauenfußballs lässt sich nicht aufhalten. Turbine selbst dreht das Rad mit: Für den abonnierten Anspruch, auf europäischer Bühne zu spielen, werden immer wieder internationale Spielerinnen verpflichtet – zum Teil für viel Geld, wie Klubpräsident Rolf Kutzmutz einräumt, aber nicht immer mit dem erhofften Qualitätsgewinn. Bei keinem anderen Bundesligaverein gab es in den vergangenen Jahren ein so reges Kommen und Gehen. Auf der anderen Seite hat Turbine selbst einen riesigen Nachwuchsbereich mit 60 Spielerinnen geschaffen – angesiedelt an der Potsdamer Sportschule mit Internat. Schröder selbst erklärte dieser Tage, dass aus diesem Reservoir zu wenig Talente gewonnen werden. „Unsere Philosophie scheint ein bisschen ins Wanken geraten zu sein“, sorgt er sich – durchaus selbstkritisch. Und solange an der Havel seiner Meinung nach nicht alles wieder auf richtigem Kurs ist, wird er nicht von Bord gehen.

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