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Regionalsport: Der Speer im Garten

Speerwurf-Weltrekordler Uwe Hohn feiert heute seinen 50. Geburtstag in Rheinsberg. Sein Weltrekord-Speer steht allerdings im Garten von Rainer Woitalla in Potsdam.

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Wenn das Uwe Hohn wüsste. Der einzige 100-Meter-Speerwerfer der Welt feiert am heutigen Montag seinen 50. Geburtstag – in Rheinsberg lädt der Weltrekordler von 1984 zur Party ein, denn dort wurde er einst im Schulsport entdeckt. Der Weltrekordspeer von damals wird heute allerdings nicht die festliche Tafel zieren, sondern begrenzt ein Beet im Garten von Rainer Woitalla. Ein Frevel? „Nein“, sagt der Potsdamer, der einst die Gaststätte „Schlachteplatte“ betrieben hat. „Hier hat der Speer einen besonderen Ort gefunden, die Leute können ihn sehen und er verstaubt nicht in irgendeiner Ecke.“ Berühmt wurde Hohn durch seinen Fabel-Weltrekord. Er schleuderte den Speer am 20. Juli 1984, vier Tage nach seinem 22. Geburtstag, im Berliner Jahn-Sportpark auf unglaubliche 104,80 Meter und traf dabei fast die Athleten in der Kugelstoßanlage. Wegen der Gefahr zu großer Weiten in den Stadien führte der Leichtathletik-Weltverband am 1. April 1986 neue Speere mit veränderten Flugeigenschaften und eine neue Rekord-Rechnung ein.

Wenn Woitalla über den Speer, den Leistungssport und die alten Zeiten erzählt, kommt er ins Schwärmen. Von der siebten Klasse bis zum Abitur besuchte er die Potsdamer Kinder- und Jugendsportschule (KJS), war ebenso wie der fünf Jahre jüngere Hohn Speerwerfer – auch wenn er es nicht annähernd auf dessen fantastische Weite brachte. 1970 wurde er Spartakiade-Sieger, seine persönliche Bestleistung erreichte er 1975 mit 67,70 Meter beim Dreiländerkampf im polnischen Lodz. Seinen Trainerschein machte Woitalla später allerdings im Volleyball und verzweifelte irgendwann, weil bei der in der DDR üblichen „Kaderüberprüfung“ hochtalentierte Kinder und Jugendliche durchfielen, weil die Eltern nicht ins gesellschaftliche Raster passten. „Wenn dir aus einer vielversprechenden Nachwuchsmannschaft vier deiner besten Spieler gestrichen werden, ist das einfach schwer nachzuvollziehen“, sagt er.

Und so wechselte Woitalla in die Gastronomie – zumindest zur damaligen Zeit ein lukrativer Bereich, der auch genügend persönlichen Freiraum ließ. Mit seinem Kompagnon, einem Freund von Uwe Hohn, eröffnete er schließlich am 7. Oktober 1996 das „Kombinat Schlachteplatte“ in der Dortustraße. Ein Laden, den es zuvor schon gab – aber in einem erbärmlichen Zustand. Und Uwe Hohn, der Weltrekordler, dem man seinen Rekord wohl niemals mehr nehmen wird, half mit. Er klopfte den alten Putz von den Wänden und strich noch die Toilettenwände, als vorn schon die ersten Gäste hereingelassen wurden. Der 7. Oktober, der einstige „Tag der Republik“, war als Eröffnungstag für die Kultkneipe fest eingeplant. Und als es die rauschende Eröffnungsparty für alle Helfer und Freunde gab, steuerte Uwe Hohn ein ganz besonderes Geschenk bei: seinen Weltrekordspeer.

Der sieht eigentlich nicht einmal besonders aus. Graues Aluminium, eine metallene Spitze, in der Mitte ist er mit etwas Schnur umwickelt. „Allerdings ist das ein Schwedenspeer“, erzählt Rainer Woitalla mit sichtlichem Leuchten in den Augen. „Unser DDR-Speer, der Schwalbe hieß, wog zwar auch 800 Gramm, aber er flatterte geradezu durch die Luft. Solche Bestweiten waren damit nie zu erzielen. Nach Uwes Weltrekord wurde der Schwerpunkt nach vorn verlegt und solche Weiten sind wohl kaum noch möglich.“

Uwe Hohn indes beendete zwei Jahre nach seinem magischen Wurf aus gesundheitlichen Gründen seine Laufbahn. Vor allem die Bandscheibe macht ihm zu schaffen und er wurde als Sportinvalide anerkannt. Nach der Wende übernahm ihn die Bundeswehr, nach einer entsprechenden Ausbildung arbeitete er dann als Trainer. Erste Station war Potsdam, später war er in Australien und Katar tätig. Derzeit bereitet er die chinesischen Speerwerfer auf die Olympischen Spiele in London vor. „Und vielleicht“, so denkt Rainer Woitalla, „gibt’s ja irgendwann nochmal einen richtigen Naturburschen, der seinen Rekord bricht.“Henner Mallwitz

Henner Mallwitz

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