Landeshauptstadt: Der tägliche Kampf
Norbert Franz ist einer von fünf trockenen Alkoholikern in der neuen Suchtkranken-Wohngemeinschaft
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Norbert Franz ist wieder da. Dass der 44-Jährige in seiner Heimat Potsdam ein neues Leben beginnt, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern harte Arbeit, ein täglicher Kampf. Norbert Franz ist alkoholkrank. Seit fünf Jahren ist er trocken. Vor einer Woche zog er nun in die Sinalkol-Suchtkranken-Wohngemeinschaft in der Gutenbergstraße 100. Hier will er „trainieren selbstständig zu leben“, nach fünf Jahren in einer Suchtkranken-Wohnstätte im brandenburgischen Criewen. Bis zu 18 Monaten hat er dafür Zeit. Und schon jetzt hat er „Bammel“, vor der Zeit danach.
Denn noch immer spürt er „diesen Jieper – den werde ich nicht los“, sagt er. Beim Einkaufen zum Beispiel. Neben der „Brause“, die er holen will, stehen die Schnapsflaschen. Er darf sie nicht mehr „einfach in den Einkaufswagen stellen, zahlen und dann raus“. Nein: „Ich muss vorbeigehen.“ Dann wird sein Wille zu einer Hand, die ihn von hinten packt und ihn schnell wegzieht vom Alkohol, beschreibt Norbert Franz das Gefühl.
Momente wie diese kennt jeder der fünf Bewohner – vier Männer und eine Frau. In ihrem neuen Heim können sie mit Menschen reden, denen es geht wie ihnen, sich gegenseitig Mut geben. Regelmäßig finden zudem Gruppen-Therapien und -Veranstaltungen mit den drei Psychologen und Therapeuten statt, die sich um die suchtkranken Bewohner kümmern. Hier soll sich für sie nun die „Drehtür zwischen Entzug und Rückfall“ endlich schließen, sagte Sozialbeigeordnete Elona Müller gestern auf dem Einweihungsfest der neuen Wohnräume mitten in der City. Im ehemaligen Haus der Begegnung hat der Verein Sinalkol für sein Alkoholkranken-Projekt auf 308 Quadratmetern im Dachgeschoss 13 Räume und zwei Bäder eingerichtet. Platz sei für insgesamt zehn Teilnehmer, demnächst sollen Flyer in Entziehungskliniken für die Spezial-WG werben, so Projektleiterin Doris Warken. Nach kleineren Umbaumaßnahmen sind die ersten bereits seit August hier eingezogen. Einige wie der Gitarrist der Band „Männerversteher“, die gestern die Musik zur Party spielte, haben es sich schon gemütlich gemacht in ihrem Zimmer. Das von Franz ist dagegen noch leer. Nur seine Plüschkatze liegt schon auf dem Bett. Und an die blanke Wand hat er zwei Fotos geklebt: Seine Enkeltochter als Baby, einmal mit Franz’ Mutter, einmal im Arm seiner Tochter. Während seine Mutter auf der Einweihungsfeier neben ihrem Sohn sitzt – „stolz, dass er es soweit geschafft hat“, hat Norbert Franz seine mittlerweile vierjährige Enkelin noch nie gesehen, obwohl er ab und an Kontakt zu seiner Tochter hat. Aber irgendwann, wird er sie sehen, mit ihr spielen, glaubt er. Aber vorher will er wieder „oben ankommen“. Ganz unten war der Frührentner bereits. Ein ganzes Jahr fehlt ihm, rauschte im Suff vorbei. Schlimm sei es vor sechs Jahren gewesen, erinnert sich seine Mutter. Nur noch ein halbes Jahr gab der Arzt dem mittlerweile Herzkranken. Einzige Überlebenschance: trocken werden und bleiben. Der Wille zur Abstinenz ist das Wichtigste, betont Warken. Zwar werde sie und ihre Kollegen auch helfen, wenn die Betroffenen einen Rückfall erleiden, aber wer nicht wirklich dagegen ankämpft, müsse das Projekt verlassen, so Warken. Mit kleinen Schritten führt der Alltag in seiner WG Norbert Franz wieder in ein selbstständiges Leben zurück: Er putzt, bereitet sich selbst Mittagessen zu und geht einkaufen.
Anmeldungen für das Sinalkol-Projekt unter Tel.: (0331) 81 70 450.
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