Landeshauptstadt: Der teure ausgeschlagene Zahn
Richterin erklärte Jugendlichen, was ihnen bei Straftaten blüht / Jugendrechtshaus bietet juristische Hilfe
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„Unsere Jugend hat schlechte Manieren, macht sich über die Autorität lustig, hat überhaupt keinen Respekt vor dem Alter. Unsere Kinder sind Tyrannen, sie widersprechen ihren Eltern, sie sind unmöglich." Dies sagte Renate Michael, Präventionsleiterin der Potsdamer Polizei,vorgestern anlässlich eines Informationsabends im Club 91. Allerdings zitierte die Polizeibeamtin dabei den 399 vor Christus verstorbenen griechischen Philosophen Sokrates – um aufzuzeigen, wie viel von pauschalen Urteilen über die „Jugend von heute“ zu halten ist.
„War das schon eine Straftat? Und was erwartet mich jetzt?“ war das Thema, zu dem 20 Jugendliche im Potsdamer Club 91 am Dienstagabend fachkundige Auskunft erhielten. Zusammen mit der Präsidentin des Potsdamer Amtsgerichts, Christiane Dreusicke, erklärte Renate Michael den 13- bis 20-Jährigen, was sie erwartet, sollten sie einmal straffällig werden. Zwar ist Dreusicke als Richterin vornehmlich für Zivilstreitigkeiten zuständig, doch erklärt sie gleich zu Beginn der Gesprächsrunde, dass eine Straftat oft zwei parallele Verfahren zur Folge hat: Für eine Schlägerei könne man vom Strafrichter wegen Körperverletzung verurteilt werden. Hinzu komme zumeist aber noch ein Schmerzensgeld-Verfahren vor dem Zivilgericht. „Ein ausgeschlagener Zahn kann also richtig teuer werden“, warnte Dreusicke ihre jungen Zuhörer.
Die Gerichts-Präsidentin will die Jugendlichen dazu bringen, „über ihr Leben zu reflektieren“, damit sie gar nicht erst straffällig werden. Doch auch denjenigen, die das Gesetz bereits übertreten haben, tritt Dreusicke nicht nur in ihrer Funktion als Richterin gegenüber. Seit drei Jahren berät sie nämlich ehrenamtlich als Vorsitzende des Jugendrechtshauses Minderjährige bei juristischen Problemen. Neben einer „strafrechtlichen Anfangsberatung“ mit Vermittlung eines Anwalts, bieten Dreusicke und ihre Kollegen – zumeist Anwälte und Staatsanwälte – auch Hilfe bei zivilrechtlichen Fragen, etwa bei Erbrechtsfällen und bei Konflikten zwischen Kindern und Eltern.
Am Ende der Veranstaltung zeigt der Applaus: Bei ihren Zuhörern sind die Ordnungshüter jedenfalls an diesem Abend gut angekommen. Einer der Jugendlichen im Club 91 war überrascht, dass es zwar erst ab Verurteilungen zu über 90 Tagessätzen zu einem Eintrag in das Führungszeugnis kommt, dass aber auch mildere Urteile in dem sogenannten Erziehungsregister vermerkt werden. Dabei hat der heute 20-Jährige bereits einschlägige Erfahrungen gesammelt: Mit 15 Jahren wurde er vom Jugendgericht wegen dreimaligen Fahrens ohne Führerschein sowie unter Alkoholeinfluss verurteilt. Der Informationsabend hätte daran allerdings auch nichts geändert, gesteht er. „Wir wussten damals schon vorher, was uns blüht, sind aber trotzdem losgefahren.“ Frederik von HarbouDas Jugendrechtshaus befindet sich in der Stubenrauchstraße 14. Tel.: (0331) 704 82 16. In Notfällen von 14 bis 17 Uhr: (0170) 988 74 96.
Frederik von Harbou
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