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Landeshauptstadt: Der Traum am „Potsdamer Chimborazo“

Anwohner erhebt Vorwurf, Kassenärztliche Vereinigung behindere Rückgewinnung des Ausflugsgebietes

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Templiner Vorstadt - Seinen Traum vom Brauhausberg brachte Mike Schubert gestern einer überaus großen Zahl von Potsdamern nahe. Der Vorsitzende der SDP-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung hatte zu einer Wanderung über den bis 88 Meter über den Meeresspiegel aufsteigenden Hügel eingeladen, der bis Kriegsende 1945 eines der beliebtesten Ausflugsgebiete der Stadt war. Er bot einmalige Aussichten auf die Stadt- und Seenlandschaft, die ein begehrtes Motiv für Maler waren.

Heute ist davon kaum etwas geblieben. Der Rundweg und die von der Leipziger Straße hinaufführenden Wege sind verschüttet, überwuchert oder gesperrt, die Sichten durch Baumaufwuchs verstellt. Die am Nordhang Mitte des 18. Jahrhunderts durch Friedrich II. an der Schützenstraße (heute Max-Planck-Straße) errichteten Kolonistenhäuser fielen weitgehend dem Bombenangriff von 14. April 1945 zum Opfer. Das 1802/03 durch König Friedrich Wilhelm III. auf dem Hügel errichtete Belvedere wurde in den 1950er Jahren abgerissen. Die Ausflugslokale gibt es nicht mehr.

Das möchte der SPD-Kommunalpolitiker ändern. Dazu hat er der Stadtverordnetenversammlung ein Konzept vorgelegt, das die Templiner Vorstadt und den Brauhausberg zu einem Schwerpunkt der Stadtenwicklung erklärt. Schubert führte die Wanderer am zu DDR-Zeiten errichteten Gebäude des Terrassenrestaurant Minsk, dessen Wiedernutzung er ankündigte, und an der Schwimmhalle vorbei, die saniert werden soll. Am Ende der Max-Plack-Straße beginnt die Wirrnis der vernachlässigten Spazierwege. Einer führt hinauf zum früher berühmten Ausflugslokal „Wackermanns Höhe“, dessen Gebäude noch steht. Der Grundstückseigentümer, die Kassenärztliche Vereinigung, hat den als öffentlich ausgewiesenen Weg kurzerhand sperren lassen, wohl um die Instandhaltung zu umgehen. Das Grundstück und das erhaltene Gebäude der Gaststätte befinden sich in beklagenswertem Zustand.

Anwohner Thomas Hintze, einer der Mitwanderer, schoss scharf gegen die Kassenärtzliche Vereinigung, die für das zum Verkauf stehende Grundstück einen zu hohen Preis verlange und damit potenzielle Investoren abschrecke. Mike Schubert ergänzte, dass ein Ausflugslokal nach Rekultivierung des Brauhausbergs hohe Attraktivität ausstrahlen könnte. „Wackermanns Höhe“ besaß früher eine über den Berghang vorgebaute „Glashalle“ mit herrlichem Blick auf die Stadt. Die Gaststätte befand sich im Besitz der schwerreichen Brauerfamilie Adelung & Hoffmann, die auch die legendäre „Potsdamer Stange“ herstellte. Nicht weit davon lag ein zweites Ausflugslokal, die 1830 eröffnete „Peters Höhe“. Schon seit 1770 konnte man auch in den Schützenkrug einkehren, der für die Potsdamer Schützengilde errichtet worden war.

Eine weitere Station des Rundgangs war die heute auf dem Gelände des Landtags liegende, aber der Schlösserstiftung gehörende Fläche des Anfang des 19. Jahrhunderts durch den Baumeister Andreas Ludwig Krüger in Form einer „gothischen Turmruine“ errichteten Belvederes. Mike Schubert möchte dieses Bauwerk gern wiederstehen sehen – nicht auf Kosten der öffentlichen Hand, wie er betonte, sondern mit Hilfe eines Bürgervereins, der Sponsoren und Spender gewinnt.

Die Wanderung hatte auch zu den am Brauhausberg befindlichen Aussichtspunkten Wilhelmshöhe und Friedrichshöhe geführt. Sie könnten mit verhältnismäßg geringen Mitteln wieder hergestellt und durch Auslichtung des Baumwuchses zur Stadt geöffnet werden.

Mit einer Rückgewinnung des Brauhausberges als Ausflugsgebiet würde man auch Alexander von Humboldt (1769 - 1859) eine Ehre erweisen. Für den berühmten Naturforscher war er noch im hohen Alter bevorzugtes Ziel seiner Spaziergänge. Er nannte ihn nach dem Gipfel in Ecuador, bei dessen Besteigung er 1802 einen Höhenweltrekord aufgestellt hattte, seinen „Potsdamer Chimborazo“. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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