Sport: Der Traum vom Segeln in Peking
Die Potsdamerin Anneli Hartmann will mit Annina Wagner zu den Olympischen Spielen 2008
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Die Potsdamerin Anneli Hartmann will mit Annina Wagner zu den Olympischen Spielen 2008 Immer, wenn kurz vorm Start der Wind stark bläst, die Segel laut gegen die Masten schlagen und sie neben vielen anderen Seglern an der Startlinie wartet, klettert Anneli Hartmanns Puls in die Höhe. „Dann schießt mir das Adrenalin ins Blut“, schildert die junge Potsdamerin die letzten Sekunden vorm Rennbeginn, in denen sich alle Boote eine möglichst günstige Ausgangsposition suchen. Schließlich will sich, wenn es richtig los geht, niemand den Wind aus den Segeln nehmen lassen. „Ein guter Start“, weiß Hartmann, „ist das Entscheidende für eine Regatta. Mit einer guten Startposition hat man schon viel gewonnen.“ Anneli Hartmann segelt zusammen mit der Berlinerin Annina Wagner erfolgreich in der olympischen 470er-Bootsklasse. Kürzlich während der traditionellen Travemünder Woche in Lübeck ließen sie – auch wegen ihres guten Starts – die Konkurrenz hinter sich und rauschten souverän als Erste durchs Ziel. Anneli Hartmann, die in Wiesbaden aufwuchs, segelt seit 1994. Ein Jahr später trat sie in den „Segelclub Rheingau“ ein. Es folgte der klassische Weg – das Basiswissen erlernte sie bis zu ihrem 15. Lebensjahr im „Opti“ (Optimist), dann stieg sie von der kleinsten in die 420er Bootsklasse um, in der sie erste Teamerfahrungen sammelte. Vorher, 1997, segelte sie am Gardasee die mit rund 500 Startern größte „Opti“-Regatta der Welt. Der Hessische Seglerverband (HSeV) entdeckte sie dort und schickte sie zum Sichtungstraining. Eine erfolgreiche Crew besteht aus perfekt eingespielten Partnern. „Im Team zu segeln kann schlimmer sein als eine Ehe“, meint die 21-jährige, nicht ohne zu schmunzeln. Fast hätte sie auch schonmal das Handtuch geworfen, weil sie lange keine wirklich geeignete Bootsgefährtin hatte. Aber seit sie im Jahr 2000 mit der 20-jährigen Annina Wagner – die bereits Jüngstenmeisterin im „Opti“ wurde – eine neue, langfristige Mitstreiterin fand, „ist ans Aufhören nicht mehr zu denken. Annina ist die perfekte Segelpartnerin“, ist Hartmann überzeugt. Die beiden verstehen sich blind. Hartmann: „Das Wichtigste ist, dass man mit seinem Partner bestens auskommt, denn man lernt ihn in jeder Situation kennen. Man muss sich perfekt ergänzen, Konflikten aus dem Weg gehen. Schließlich verbringt man nicht selten bis zu acht Stunden zusammen auf dem Boot.“ Die Potsdamerin ist Vorschoterin, Annina Wagner die Steuerfrau. Jeder hat also komplett verschiedene Aufgaben. „Als Vorschoter ist man für die Taktik verantwortlich, muss viel beobachten und die Steuerfrau immer über Wind und Gegner informieren“, erläutert Hartmann. Seit Oktober vergangenen Jahres studiert die Hessin Sportwissenschaften in Potsdam, wo sie auch in einer Wohngemeinschaft ihre Heimstatt gefunden hat; Annina Wagner studiert seit der gleichen Zeit Architektur in Berlin. Da ist gute Koordination gefragt. „Hinzu kommen die begrenzten Trainingsmöglichkeiten hierzulande. Deutschland ist eben keine Segelnation wie beispielsweise Australien.“ Ihre sportliche Heimat ist nun der Potsdamer Yachtclub. Betreut werden sie vom Bundestrainer Dr. Dr. Malte Philipp, erster Ansprechpartner ist Landestrainer Martin Schlaaf vom Berliner Segler-Verband. Hartmann: „Unsere Trainer sind uns in ihrer ruhigen Art eine große Hilfe und können uns sehr gut motivieren.“ Die jungen Seglerinnen träumen von der Teilnahme an den olympischen Spielen 2008, mit dem Wissen, „dass in drei Jahren viel passieren kann“, betont Anneli Hartmann, die auch weiss, dass ihre Chancen auf Olympia steigen würden, wenn sie in Rostock ihr Fach studieren könnte. Dort befindet sich seit kurzem der Stützpunkt für die deutschen 470er. Das Duo könnte dort jeden Tag trainieren und stünde nicht so unter Druck wie derzeit. „Den Druck machen wir uns natürlich auch selber. Schließlich müssen wir unsere Kaderkriterien erfüllen.“ Solange die nämlich stimmen, ist ihnen auch ihr Sponsor „Magic Marine“ sicher – und damit sind auch viele Kosten gedeckt. „Segeln ist ein sehr teurer Sport. Ohne die jahrelange, finanzielle Unterstützung unserer Eltern wär das alles nie möglich gewesen“, sagt Hartmann. „Von unserem Verein bekommen wir ebenfalls eine sehr gute Unterstützung.“ Beide wollen auch weiterhin Erfahrungen sammeln wie bei der Weltmeisterschaft 2002 in Portugal, wo sie mit Platz 16 erfolgreich abschnitten. „Die Bedingungen waren perfekt – es war warm, der Wind stimmte – und die Deutschen konnten als richtiges Team auftreten“, schwärmt die Potsdamerin noch heute. Kurz vor Olympischen Spielen aber sei Harmonie auch unter Seglern schwerer zu verwirklichen. „Dann“, meint Hartmann, „ ist die Konkurrenz untereinander noch stärker zu spüren, Spannungen werden größer und allen stellt sich die Frage: Wer kriegt das Ticket für Olympia?“ Ende September dieses Jahres gehen die beiden Studentinnen bei den Deutschen Meisterschaften im holländischen Medemblick an den Start. „Mal schauen, wie es wird“, gibt sich Anneli Hartmann noch gelassen. Spätestens am Start aber wird ihr wieder das Adrenalin ins Blut schießen.
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