Syrischer Theatermacher in Potsdam: Der Traum vom Träumen
Der 39-jährige Theatermacher Kamal Bader musste aus Syrien vor dem Militär fliehen. In Potsdam motiviert er Kinder jetzt, für ihre Träume zu kämpfen.
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Potsdam - Seine Gedanken nicht auf dem direkten Weg präsentieren, neue Horizonte öffnen, Verständigung lehren. All das möchte Kamal Bader mit seiner Kunst bewegen. Dabei stellt der Theatermacher auch mal Andersens Märchenklassiker „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“ als glückliches Kind, das Hoffnung verbreitet, dar. „Ich wollte damit zeigen, dass man immer Liebe und Hoffnung in sich tragen kann“, sagt der 39-Jährige. „Selbst wenn man ständig mit dem Krieg konfrontiert ist.“ Denn Bader stammt aus Syrien und lebte noch bis vor Kurzem in Damaskus. Seit vier Monaten ist er nun in Potsdam, seinen Traum von einem Theater, das die Menschen über ihren Tellerrand hinaus blicken lässt, will er nicht aufgeben.
Brecht als Vorbild
„Für mich ist Theater die Mutter aller Kunstformen und weitaus mehr als Ruhm und Glamour“, so der 39-Jährige. „Es bringt Menschen zusammen, kann Umstände begreifbar machen und Wissen vermitteln.“ Sein Vorbild ist dabei Bertolt Brecht, dessen verfremdendes Theater er als Konzept auch verfolgt. In seiner Heimat führte er unter anderem „Othello“ oder „Warten auf Godot“ unter dieser Prämisse auf. Besonders am Herzen liegt ihm jedoch die theaterpädagogische Arbeit mit Kindern. In Syrien nahm er dabei an einem Projekt teil, das Kindern aus ländlichen Gegenden kulturelles Wissen vermitteln sollte. Gemeinsam mit Kollegen und einem großen Zelt voller Kostüme, Puppen und Requisiten reiste er durch Syrien, um den Kindern dort das Theater nahezubringen. „Wir haben auf der Straße oder in größeren Gebäuden gespielt und ihnen beispielsweise Beethoven oder Pavarotti vorgestellt, die sie sonst nie kennengelernt hätten“, so Bader und lächelt dabei. „Dabei ging es viel um Spaß, langweilige Vorträge wollten wir nicht halten.“
Ein Jahr lang tourte er auf diese Weise durch das Land, immer überzeugt, dass seine Arbeit gerade wegen des Krieges wichtig sei. „Der Krieg wurde immer verrückter und irgendwann ging es nicht mehr“, so der Regisseur, Schauspieler und Soziologe und sein Blick wird sehr ernst dabei. „Männer zwischen 18 und 40 Jahren werden in Syrien eingezogen, um für Baschar al-Assad zu kämpfen.“ Für ihn käme es aber überhaupt nicht in Frage, für irgendjemanden in den Krieg zu ziehen, das ließe sich mit seiner Moral nicht vereinbaren. Vor der Wahl stehend, zu töten oder getötet zu werden, entschied er sich für die Flucht. „Ich habe es vor allem für meine Familie getan, um ihnen hoffentlich ein sicheres Leben zu ermöglichen“, sagt er. Noch mussten seine Frau und die drei Kinder allerdings in Syrien bleiben. Seine jüngste Tochter, die noch nicht einmal vier Monate alt ist, kennt er nur von Fotos, die seine Frau ihm schickt. „Ich hoffe, sie alle eines Tages nachholen zu können, sodass wir hier gemeinsam ein friedliches Leben führen können.“ Für ihn sei das Leben in Potsdam bereits jetzt ein Neuanfang, für den er sehr dankbar ist.
Auch im Refugee Club des Hans Otto Theaters dabei
Deswegen möchte er auch etwas zurückgeben und mit seiner Arbeit einen Beitrag zu einer friedlichen Zukunft leisten. Gemeinsam mit einem Freund hat er in den letzten zwei Monaten bereits das Theaterstück „Karakos und Iwas“ in deutscher Sprache an einer Potsdamer Grundschule, in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge im Horstweg und in der Reithalle des Hans Otto Theaters (HOT) aufgeführt. Außerdem wirkt er im Refugees Club des HOT mit, der zur Vernetzung von Potsdamern und Neu-Potsdamern beitragen soll.
Auch hier liegen ihm vor allem die Kinder am Herzen, wie er sagt. „Wenn dir etwas an der Zukunft liegt, dann musst du in die Kinder investieren“, so Bader, der in einer Sozialwohnung lebt. „Mir ist es wichtig, dass sie früh lernen, ihren eigenen Kopf zu benutzen und der Welt offen gegenüberzutreten.“ Gerade kulturelle Unterschiede möchte er begreifbar machen und zeigen, dass es überall positive Dinge gibt, die sich gegenseitig bereichern können. „Ich fände es schön, wenn sich die kulturellen Grenzen nach und nach aufweichen und es irgendwann einfach keine mehr gibt“, sagt er. Dafür sei extrem wichtig, den Kindern das Nachdenken beizubringen, denn „wenn das Denken stoppt, stoppt auch das Leben“.
Hoffnung auf Frieden nicht aufgegeben
Er selbst glaubt nicht daran, zu Lebzeiten noch in ein friedliches Syrien zurückzukehren. Dafür seien die Probleme dort zu groß und verworren. Die Hoffnung auf Frieden gibt er trotzdem nicht auf, vor allem für nachfolgende Generationen wünscht er sich ein Syrien, in dem sie sich ungehemmt entfalten können. „Jetzt gerade sind die Träume der Menschen dort so klein“, so Bader. „Es geht ums Überleben, um Milch oder Fleisch für die Kinder – für mehr ist gar kein Platz.“
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