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Potsdamer Bürger abgekoppelt: Der vergessene Wohnblock

Durch die neue Verkehrsführung an der Humboldtbrücke wurde ein Karree quasi zur isolierten Insel.

Von Katharina Wiechers

Stand:

Berliner Vorstadt/Innenstadt - Pawel Rutkowski geht zwischen zwei wartenden Autos hindurch. Bevor er die nächste Spur überquert, zögert er kurz. „Es ist wirklich supergefährlich hier“, sagt er. Der Mittdreißiger ist Mieter in dem spitz zulaufenden Wohnblock zwischen Gutenberg-, Behlert- und Berliner Straße. Seit rund einer Woche sind er und die anderen Bewohner quasi von der Außenwelt abgeschnitten: Wegen der Sanierung der Humboldtbrücke wurde zum wiederholten Mal die Verkehrsführung geändert, doch diesmal hat man offenbar nur an die Autofahrer und nicht an die Anwohner gedacht. Dort, wo die Humboldtbrücke auf die Berliner Straße trifft (siehe Grafik), ist eine Verkehrsinsel zum größten Teil unter einer zweispurigen Fahrbahn verschwunden, der Rest ist eingezäunt und quasi nicht betretbar. Wollen Rutkowski und seine Nachbarn jetzt in Richtung Berliner Straße zur Straßenbahnhaltestelle oder zum Einkaufen, müssen sie lange Umwege in Kauf nehmen. Oder sie gehen das Risiko ein und schlängeln sich während einer Rotphase zwischen Autos hindurch – so wie Pawel Rutkowski gerade eben.

Doch er und rund 20 weitere Bewohner wollen die Situation nicht hinnehmen. An dem Tag, als die Verkehrsinsel verschwand, haben sie sich zusammengetan und spontan eine Bürgerinitiative gegründet. Sie wollen auf ihr Problem aufmerksam machen, das man in der Stadt offenbar nicht als solches erkannt hat. „Wir sind uns nicht sicher, ob man uns vielleicht vergessen hat“, erklärt Rutkowski.

Ein Anruf beim Bauamt blieb bislang ergebnislos. Der zuständige Mitarbeiter verwies die Anwohner auf eine Schneise für Fußgänger auf dem Rest der Verkehrsinsel, davon ist allerdings nichts zu sehen. Auf PNN-Anfrage teilte die Stadt mit, die Fußgänger könnten die Ampeln an der Kreuzung Gutenberg/Hans-Thoma-Straße oder Behlertstraße/Kurfürstenstraße benutzen. Das allerdings bedeutet aber einen Umweg von mindestens 500 Metern.

Aus Sicht der Anwohner wäre es sinnvoller, zwei mobile Ampeln aufzustellen – eine über die Gutenberg-, eine über die Behlertstraße. Vor allem für ältere Bewohner und Kinder seien die vielbefahrenen Straßen hochgefährlich. Gerade gegen Abend, wenn sich der Feierabendverkehr aufgelöst hat, bretterten die Autos teils mit 70 Sachen in Richtung Nutheschnellstraße/Humboldtbrücke. „Wir bringen den Kindern bei, dass sie nur über grüne Ampeln gehen sollen, und dann gibt es hier keine“, sagt Jeanne Seipert, eine von Rutkowskis Mitstreiterinnen. „Die Situation ist wirklich skurril.“

Wütend macht die Anwohner vor allem, dass die Situation laut Bauamt bis Oktober so bleiben soll. Den PNN teilte die Stadt mit, die Verkehrsführung werde sogar bis Dezember so bleiben.

Pawel Rutkowski glaubt nicht, dass es so lange gut gehen wird. Schon in den ersten Tagen hat er auf der Kreuzung eine brenzlige Situation beobachtet, bei der eine Frau beinahe überfahren wurde. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis etwas passiert“, ist Rutkowski sich sicher. Er erinnert an die 23-jährige Radlerin, die kürzlich bei einem Unfall auf der Pappelallee ums Leben gekommen ist. Ein Lastwagenfahrer hatte sie beim Abbiegen übersehen und überrollt.

Zumindest eines haben Rutkowski und seine Nachbarn schon erreicht: Die Stadt will prüfen, ob eine weitere Fußgängerampel aufgestellt wird.

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